dieZeitschrift: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie die Edition Atelier übernommen haben?
Poll: Ich habe in Wien Theaterwissenschaften studiert und 2009 einen Theaterverlag gegründet. Für viele junge Theaterautoren ist in Österreich kein Platz. Da haben wir einfach selbst etwas auf die Beine gestellt. Zwei Jahre später wurde ich gefragt, ob ich die Edition Atelier übernehmen will. Der Verlag hatte noch ein großes Buchlager, zum Teil waren da noch Bücher aus den Achtzigerjahren dabei, die sich heute natürlich kaum mehr verkaufen. Nach einigen Verhandlungen hab ich die Edition Atelier mit zwei Kollegen übernommen. Der Theaterverlag löste sich auf, weil sich kein Nachfolger gefunden hat.
Legler: Ich bin 2013 eingestiegen, davor war Jorghi schon ein paar Monate so gut wie alleine – das heißt, da ist viel liegengeblieben. Die Edition Atelier ist seit langer Zeit wieder selbstständig geworden, da galt es erst mal, neue Strukturen zu finden. Auch weil wir mit dem Verlag eine ganz andere Programmrichtung, nämlich fast ausschließlich Belletristik, eingeschlagen haben. Das war ein sehr intensives Jahr. Jetzt läuft es.
dieZeitschrift: Warum haben Sie einen bestehenden Verlag übernommen statt einen neuen zu gründen?
Poll: Da gibt es viele Gründe. Ich kenne einige Kollegen, die neue Verlage gegründet haben. Da sind wir in einer privilegierten Position. Wir haben eine Backlist, aus der sich immer wieder Bücher verkaufen. Das liegt vor allem daran, dass wir bereits ein funktionierendes Vertreter- und Auslieferungssystem vorfanden. Für junge, kleine Verlage ist es sehr schwer, Vertreter zu finden. Diese Verlage machen zum Teil tolle Arbeit, aber sie haben keine Auslieferung. Da hatten wir Glück.
„Ohne Grundkapital ist es schwierig“
dieZeitschrift: Junge und kleine Verlage haben es also in Österreich sehr schwer?
Poll: Wenn man kein Grundkapital hat, ist es natürlich schwierig. Aber Österreich steht durch die Verlagsförderung des Bundes und Druckkostenzuschüsse, in Wien beispielsweise durch die MA7, gar nicht so schlecht da.
dieZeitschrift: Wie viele Bücher sind im Moment in eurem Programm?
Legler: Gemeldet sind an die 90 Titel. Im Vorjahr sind insgesamt 16 Neuerscheinungen herausgekommen.
dieZeitschrift: Wie wählt ihr die Autoren aus?
Legler: Viele Autoren haben schon mal bei uns veröffentlicht. Im Herbstprogramm waren auch zwei Autoren dabei, die uns Texte zugeschickt haben. Seit ich im Verlagswesen arbeite, habe ich das aber sehr selten erlebt, dass Manuskripte verlegt werden, die unaufgefordert geschickt wurden. Es geht meistens über Leute, die man bereits kennt oder die vermittelt werden.
„Manche ahmen Goethe nach“
dieZeitschrift: Wie viele von den zugesandten Manuskripten lest ihr wirklich?
Legler: Wir schauen uns alle an, aber es gibt wenige, die wir ganz lesen. Oft passt ein Text einfach nicht ins Programm. Wenn uns zum Beispiel jemand ein Sachbuch schickt, wir verlegen aber nur Belletristik ... Oder es passt sprachlich einfach nicht. Das merkt man nach zehn, fünfzehn Seiten. Wobei das natürlich auch Geschmackssache ist. Im Schnitt bekommen wir pro Woche ein Manuskript, das summiert sich ganz schön.
dieZeitschrift: Was waren die schrägsten Manuskripte, die ihr bekommen habt?
Legler: Schräg? Hm. Vor kurzem hat uns jemand einen Bildband geschickt. Der hat sich unsere Webseite und unser Programm überhaupt nicht angesehen.
Poll: Ich finde, die schrägsten sind Lyrikeinreichnungen, die beispielsweise Goethe nachahmen.
Poll: Die Autoren können in diesem Format auch mal ein bisschen experimentieren. Die Bücher sind mit 7,95 Euro pro Band zudem auch für den schmalen Geldbeutel erschwinglich. Das Konzept der Reihe funktioniert ganz gut. Vor allem die Autoren sind sehr angetan, wir bekommen seit dem Start der Reihe wirklich viele Anfragen.
„Lesereihe an einem literaturfernen Ort“
dieZeitschrift: Ihr verlegt auch „Textlicht“, eine Reihe, in der jeweils eine kurze Erzählung als Buch gedruckt wird. Eigentlich heißt es ja immer, dass so ein Format überhaupt nicht funktioniert.
Legler: Wir kennen beide viele junge Autoren, die für Literaturzeitschriften oder Anthologien schreiben, in denen man vielleicht auch untergeht. Darüber hinaus haben viele Autoren gute Texte in der Schublade, die sie nicht an den Mann kriegen. Deshalb haben wir dieses Format entwickelt, um solchen Leuten selbstständige Publikationen zu ermöglichen und natürlich um gute, auch kürzere Texte zu verlegen. Wir sind durch „Textlicht“ wiederum auch zu neuen Schriftstellern gekommen. Es ist genauso, wie wir arbeiten wollen: ganz nah mit den Autoren.
dieZeitschrift: Ihr präsentiert eure Bücher auch im Fluc (Anmerkung: Eine Discothek im zweiten Bezirk), das ist sehr unüblich.
Legler: Wir wollten die Bücher auch abseits des Buchhandels mehr präsentieren, um ein neues Publikum anzusprechen. Wir veranstalteten irgendwann eine Lesung, die zwar sehr nett war, aber es kamen nur zehn oder 15 Leute. Danach sind wir mit dem Autor Izy Kusche bis in die Morgenstunden zusammengesessen und dachten darüber nach, was wir anders machen können. So ist die Idee entstanden, eine Lesereihe in einem eher literaturfernen Ort zu organisieren. Am nächsten Tag habe ich den Leuten vom Fluc ein Mail geschrieben. Letzten September war dort unsere erste Veranstaltung, und es sind an die 70 Leute gekommen. Das war toll. Zuerst gibt es immer eine Lesung, dann ein Gespräch mit dem Autor, anschließend Open Stage. Viele Autoren sind auch Musiker, die spielen nach der Lesung oder legen auf. Das Konzept wird sehr gut angenommen.