Andreas Kolarik
Kulinarik

Ein Mann, eine Mission und vier Restaurants

Samstag, 29. März 2014
Albert Adrià wurde 2013 zum Internationalen Chef des Jahres gewählt. Er gilt nicht nur als einer der besten Köche der Welt, sondern er ist auch Teil einer Küchenrevolution: der Avantgardeküche. Gemeinsam mit seinem Bruder Ferran führte er über 20 Jahre lang das berühmte Restaurant elBulli in Spanien. Diese Woche war Albert Adrià in Wien.
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Wikipedia: Charles Haynes

Das Gastronomiemagazin Rolling Pin lud am vergangenen Montag zu den Chefdays. Acht großartige Köche kamen nach Wien, und rund 800 Zuschauer sahen ihnen beim Kochen zu. Einer der Köche war Albert Adrià aus Barcelona. Gemeinsam mit seinem Bruder hatte er mehr als 20 Jahre das elBulli in Spanien geführt.

Mit ihre neuen Interpretation der Kochkunst hoben sie weltweit die Standards und starteten eine Küchenrevolution. Sie setzten nicht nur neue Maßstäbe in der Zubereitung und Präsentation der Gerichte, sondern sie etablierten auch bei ihren Gästen eine neue Kunst des Genießens, nämlich mit allen fünf Sinnen.

Jährlich erhielten sie mehr als zwei Millionen Reservierungsanfragen, hatten aber nur Platz für 50 Gäste pro Abend. Nach 25 Jahren beschloss Ferran Adrià das elBulli zu schließen. Er meinte, „es wäre an der Zeit, das geschaffene Monster zu bändigen“. Die Köche schlugen am 30. Juli 2011 um Mitternacht zwölf mal auf ihre Pfannen, um das wahrscheinlich berühmteste Restaurant der Welt zu verabschieden.

Da hatte Ferrans jüngerer Bruder Albert in Barcelona bereits zwei neue Lokale eröffnet: Das Tickets Bar, eine Tapas-Bar, und gleich daneben das 41º, ein Restaurant mit nur 16 Sitzplätzen, aber 18 Mitarbeitern, davon 14 Köche. Fünf Tage die Woche kreieren sie täglich wechselnde Häppchen mit unmöglichen Namen und sensationellem Geschmack. Ein Abenteuer für denn Gaumen in 41 Gängen.

Foodorgasmus

Wieder überschlagen sich die Foodkritiker und Kommentatoren in den einschlägigen Foren vor Lob: Sie sprechen von einzigartigen Erfahrungen, sehr professionellem und freundlichen Personal, phänomenaler Präsentation, 41 tollen Erfahrungen, Foodorgasmen, und dass es teuer sei, aber jeden Cent wert sei.

Der 44-jährige Starkoch betreibt gemeinsam mit Partnern neben dem Tickets Bar und 41º noch das Japanisch-Peruanische Pakta und die Wermuthbar Bodega 1900. Alle Lokale liegen in Gehweite beieinander. Normalerweise verbringt er seine Abende damit, von einem Lokal ins nächste zu wechseln. Diesmal steht er auf die Bühne der Chefdays und erzählt, dass er jetzt seinen ganz eignen Stil entwickelt hat. „Auch wenn das 41º noch eine gewisse Nähe zum elBulli hat.“ Im Schnelldurchgang wird er den rund 200 Zuschauern zeigen, wie man mit wenigen Zutaten Geschmacksluftsprünge bei Gästen auslösen kann.

Die Formel

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Marliese Mendel

Adriàn schreibt seine Formel für ein erfolgreiches Gericht auf ein Flipchart: Producto (Produkt), Technica Aplicada (angewandte Verarbeitungstechnik) und Combinación de sabores (Kombination der Geschmäcker). Hohe Qualität bei Produkten und die Fertigkeit, die richtige Technik zur Verarbeitung anzuwenden, setzt der Kochmeister voraus.

Nur die Kombination der Geschmäcker sei etwas Subjektives. „Jede Region, jedes Land, jeder Mensch hat seinen eigenen Geschmack“, sagt Adrià. Aus den ersten drei Komponenten des perfekten Mahls lässt sich der vierte Teil der Formel ableiten: der eigene Stil.

Dazu braucht man allerdings Inspiration. Adrià holt sich seine Inspiration aus der Natur. „Der Mensch ist ein Tier“, sagt er, „ich lasse mich davon inspirieren, wie Tiere essen und was uns als Tier ausmacht. Man kann sich Dinge von der Natur abschauen, sie kopieren, von ihr lernen und daraus Schlüsse für die Küche ziehen.“

Irreführung

Ein Zuschauer darf eine vermeintliche Pistazie probieren. Es sieht nur aus wie eine Pistazie, schmeckt aber ganz anders. Er arbeitet gerne mit dem aus der Natur kopierten Element der Irreführung.

Bevor aber ein Gericht auf die Speisekarte kommt, zeichnet Adrià es. „Ich sage meinen Jungs immer, wenn sie nicht zeichnen können, werden sie wohl im 41º nicht kochen können“. Bei seinem nächsten Gericht will er Affen imitieren. Sie stecken Zweige in Termitenhaufen und schlecken dann die Krabbeltiere wie von einem Art Urwaldlutscher ab. Adrià zeichnet eine Stange auf den Flipchart und überlegt sich wie er den Termitenersatz anbringen könnte.

Die Lösung: Er nimmt eine Lakritzstange, perforiert sich leicht und streicht eine Gelatine-Mischung darauf. Dann muss der wahrscheinlich teuerste „Lutscher“ der Welt für ein paar Stunden in den Kühlschrank bevor er auf den Teller darf.

Kolibri

Für Adrià ist es wichtig, dass alle Sinne beim Essen bedient werden: die Augen, das Hören, das Fühlen, das Schmecken, das Riechen. Schließlich sei es das teuerste Fingerfood der Welt.

In seinem 41º gibt es kein Besteck. Er findet es viel schöner, wenn Menschen mit den Finger essen oder es den Vögeln nachmachen und direkt aus einer Blüte den „Nektar“ saugen. Dazu hat er studiert, wie Blüten in der Natur Vögel anlocken. Adrià mischt einen Cocktail aus Orangen, Gin und Karotten, füllt ihn in eine Orchidee und steckt einen Strohhalm rein. Der Strohhalm dient ihm als sein Schnabel, er wird zum Kolibri und saugt den Cocktail mit zwitschernden Nebengeräuschen aus der Blüte aus. Das Publikum ist begeistert, der Meister verbeugt sich. Er muss sich beeilen, denn am Dienstag öffnen seinen vier Lokale wieder.

Reservierungen für alle vier Lokale: bcn50

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