Trottoir Media / Philipp Schuster
Sport

Privat-Bowl unter Tage

Dienstag, 6. Mai 2014
Ein paar Skater bauten sich im Keller eines Privathauses ihre eigene Bowl. Mit geringem Budget und viel Leidenschaft zeigten sie, das keine Idee zu verrückt ist, um in die Tat umgesetzt zu werden.

„Das ist für die Ewigkeit. Ich glaube, wenn das Haus nicht mehr steht, gibt es die Bowl noch immer,“ sagt Skater Johannes Wahl stolz. Der 39-jährige sitzt in seiner schönen Altbauwohnung in Wien-Hütteldorf und löffelt ein Müsli. In dem alten Kohlenkeller des Hauses haben er und mehr als ein Dutzend befreundete Skater-Kollegen vor zwei Jahren 30 Tonnen Material sieben Meter unter Tage verarbeitet, um sich ein Winterrefugium für ihren Sommersport zu schaffen. Die Crew hat über einen Zeitraum von vier Monaten etwa 2500 Arbeitsstunden lang Schutt weggeräumt, geschnitzt und betoniert, um das außergewöhnliche Projekt in die Tat umzusetzen.

„Es ist ein komplexer Park geworden, nur eine handvoll Leute können die Bowl halbwegs gut fahren,“ sagt Philipp Schuster und lacht. Der 29-jährige ist zweifacher Europameister im Street-Skaten und mag die besondere Herausforderung, die das unterirdische Gewölbe bietet. „Es sind jede Menge Rundungen, Hips, Wobbeln und Beulen drin, das ist schon ziemlich anspruchsvoll.“ Schuster lebt vom Skateboarding und konnte dadurch auch von Sponsoren Material für das ambitionierte Projekt schnorren. „Aber es war ein Gemeinschaftsprojekt, jeder hat im Rahmen seiner Möglichkeiten seinen Teil dazu beigetragen. Der eine hat mehr gearbeitet, der andere mehr Geld in den Topf geworfen. Und ein paar haben ihr Werkzeug geopfert.“ 1500 € musste das Keller-Team privat aufbringen, was angesichts des imposanten Resultats ein bescheidener finanzieller Aufwand ist. Der Bauplan bestand nur aus einer handgekritzelten Zeichnung.

„Skaten ist ein freier Sport“

Skater im Keller
Alexandra Gruber
Schuster, Wahl

Wahl ist hauptberuflich Kameramann und hat die Bauarbeiten in dem 55 Quadratmeter großen Gewölbe gefilmt, während Schuster das Projekt mit seiner Spiegelreflex-Kamera dokumentiere. 2013 wurden seine Schwarz-Weiß-Bilder in der Fotogalerie WESTLicht der Öffentlichkeit präsentiert. „Die Ausstellung ist sehr gut angekommen, weil es mal was anderes war.“ Die Fotografie sei seine zweite große Leidenschaft, „mein zweites Standbein, wenn ich mir mal den Haxn abreiß und nicht mehr fahren kann.“

Wahl und Schuster skaten seit Teenager-Tagen. „Ich war ein grottenschlechter Schüler,“ gibt Schuster offen zu. „Deshalb wollte ich etwas machen, bei dem ich richtig gut war.“ Wahl nickt. „Skaten ist ein freier Sport, da muss man nicht zu einer bestimmten Zeit beim Training sein. Man klemmt sich sein Brett unter den Arm und ruft ein paar Freunde an.“ Das Wort Training mögen die beiden sowieso nicht. Es klingt wohl zu sehr nach Vorschriften, Regeln, Terminen. „Da grenzen wir uns von anderen Sportarten ab.“ Genauso, wie Skateboarding auch kein typischer Wettbewerbssport sei. Schuster hat mit Meisterschaften abgeschlossen. „Jeder Versuch, das in ein Reglement rein zupressen, ist meines Erachtens falsch.“

Philosophie

Offensichtlich ist Skaten für Schuster und Wahl überhaupt mehr eine Philosophie, eine Lebensanschauung, als ein Sport. Immer wieder fallen Worte wie Freiheit oder Wohlbefinden. Da passen Regeln und Wettkampf eben nicht dazu. „Ein Skateboarder fühlt sich sehr schnell gestört, wenn auch nur eine Kleinigkeit nicht passt. Da reicht schon das falsche Schuhband.“ Schuster stimmt ihm zu. „Skaten hat sehr viel mit Selbstvertrauen zu tun. Die falschen Schuhe oder eine zu enge Hose können da zum Problem werden.“ Dann gebe es noch die Leute, die das Skateboard einen Sommer lang als Accessoire unter dem Arm tragen, „weil es halt cool ist.“

Neue Skater sind willkommen

Trottoir Media / Philipp Schuster
Trottoir Media / P. Schuster
Schuster in Action

Eine Auflage gibt es doch für die Keller-Skater. „Der Besitzer des Hauses möchte zumindest, dass ich anwesend bin, wenn jemand die Bowl benutzt,“ sagt Wahl. Sechs bis sieben Leuten könnten gleichzeitig fahren. Eine geschlossene Gruppe sei das aber nicht. „Ich werde auch öfters von Leuten gefragt, die nicht mitgebaut haben. Das ist überhaupt kein Problem. Wir sind ja stolz auf unsere Arbeit und zeigen sie auch gerne her.“ Schuster grinst: „Die meisten haben aber dann eh nicht so viel Freude damit, weil sie so schwer zu fahren ist.“ Heute muss er selber passen, weil er sein Sprunggelenk überansprucht hat. Stattdessen schnappt sich Wahl sein Skateboard, um eine kleine Privatvorführung zu geben.

Der einzige Farbklecks in dem Gewölbe ist eine rote Besucher-Couch einige Meter über der Bowl. Von dort aus kann man Wahl beobachten, wie er einige Male hin und her düst. Der sportliche Mann braucht viel Kraft, um es mit dem unterirdischen Park aufzunehmen. Nach kurzer Zeit steht fest: Wer sein Skateboard nur als Accessoire benutzt, sollte die Keller-Bowl in Hütteldorf lieber meiden.

johannes-wahl.com/portfolio/webisode-01-the-idea
johannes-wahl.com/portfolio/the-building-phase
johannes-wahl.com/portfolio/the-session
johannes-wahl.com/portfolio/ganz-wien-ein-wiener-skateboardfilm

Share this content.