Name: Rainer Sigl
Alter: 40
Wohnort: Wien
Beruf: freier Journalist/Lektor
Interessen: Reisen, Fotografieren, Film, Musik
Blogname: www.videogametourism.at – das Games-Feuilleton
Blogthema: Ein anderes Schreiben über das wichtigste Medium des 21. Jahrhunderts
Blog seit: Anfang 2012
Blog-Artikel bisher: 350
Page Rank: 4
Twitter-Follower: 730
stand von: August 2014
Das Messen von Zahlen, das für andere Blogger sehr wichtig ist, spielt bei dir nur eine sehr untergeordnete Rolle. Warum?
Neben banalen technischen Gründen stellt sich für mich mangels Werbung das Messen der Besucherzahlen auch als weniger interessante Metrik dar. Es ist ja eigentlich nur eine Zahl, die mal rauf, mal runter geht. Ein – etwa ein Jahr alter - Letztstand, den ich im Kopf habe, war jetzt so circa um 10.000 unique visits/Monat. „ Anspruchsvolleres“ Schreiben über Spiele, die ja nach wie vor gesellschaftlich mit Legitimationsproblemen zu kämpfen haben, ist eine recht spezielle, auch international eher kleine Nische; wichtiger als Pageviews ist mir da eigentlich, von Gleichgesinnten gelesen zu werden. Es macht auch weniger Stress, wenn man nicht täglich auf Statistiken starrt.
Wie fing das mit dem Bloggen an und wieviele Leser hattest du am Anfang?
Ich habe vor vielen Jahren nach einem Weg gesucht, kreative Überschüsse abzubauen – mein erstes Blogprojekt, www.tamtamvienna.com – begonnen 2003, aktuell leider im Dornröschenschlaf – hat mich dahin begleitet. 2012, nach einer längeren Reise, habe ich videogametourism.at gestartet. Zu Beginn gab es natürlich keine Leser, und übrigens auch noch kein Twitter-Publikum – beides, Blog und Twitter, habe ich zugleich begonnen. Schon das erste Jahr war ich aber durch einige interessante Kooperationen – mit der WASD, mit dem Standard, der Zeit, der Huffington Post etc - recht erfolgreich in dem Sinn, dass sich schnell verhältnismäßig viele treue Leser gefunden haben.
„Ich mache keinen Werbe-PR-News-Journalismus “
Was war deine Intention beim Bloggen?
Ich möchte so über Spiele schreiben, wie ich es selber gerne lesen würde. Bei Computerspielen gibt es nach wie vor eine große Lücke an Journalismus abseits der banalen Produktbesprechung, sprich: Außer technischen Tests, oft noch mit Prozentwertung am Schluss, gibt es wenig. Allerdings bin ich ziemlich überzeugt davon, dass Spiele, dieses schon jetzt kommerziell erfolgreichste Medium, für das 21. Jahrhundert dieselbe Bedeutung haben werden wie Film fürs 20. - wir sind nur eben gerade in der Prä-Stummfilm-Ära, was Spiele betrifft. Das wird sich ändern. Im englischen Sprachraum schreiben übrigens schon länger einige Autoren im Essaystil über Spiele; im deutschen Sprachraum gibt es mit der WASD seit ebenfalls zwei Jahren ein ambitioniertes Projekt, an dem ich auch verstärkt beteiligt bin.
Was bietest du deinen Leser, was haben sie davon, wenn sie deinen Blog lesen?
Ich hoffe mal: ein Blick auf Spiele, der über das Übliche hinausgeht und das Medium und seine Kultur ernst nimmt. Vielleicht auch ein Zugang, der im Unterschied zu vielen Seiten nicht hauptsächlich Jugendliche als Zielgruppe hat. Garantiert kein Werbe-PR-News-Journalismus. So komisch das klingt: Texte über Spiele für Menschen, die genauso gern lesen wie spielen.
Wieviel Zeit wendest du pro Woche für deinen Blog auf?
Etwa zehn bis zwölf Stunden – allerdings ist das schwer zu sagen, da ich als Journalist für andere Medien mit derselben Materie befasst bin. Allerdings habe ich auch ein paar fantastische Mit-Autoren und immer wieder Gäste, die ebenfalls Content abliefern.
„Auf Augenhöhe mit Autoren, die ich bewundere“
Was ist dein Hauptberuf?
Ich bin seit fast 14 Jahren selbstständig und habe im akademischen Bereich, aber auch bei verschiedenen Verlagen gearbeitet, zum Teil als Lektor, zum Teil als Autor. Seit 2006 schreibe ich für verschiedene Outlets als freier Autor über Computerspiele, u.a. für fm4, wo ich seit letztem Jahr übrigens gemeinsam mit Conny Lee und Robert Glashüttner die allererste monatliche Radiosendung über Gameskultur bestreite. Seit der Gründung von videogametourism.at hat sich mein berufliches Schreiben mehr in Richtung Spiele verlagert, auch dank der Zusammenarbeit mit dem Standard.
Durch deinen Blog sind große Medien an dich herangetreten, damit du für sie schreibst. Welche Aufträge haben sich für dich dadurch genau ergeben, und was bedeuten sie für dich persönlich?
Es ist ein bisschen komplizierter: Ich habe schon zuvor für Telepolis, fm4 und manche Printmedien – The Gap, tba – über Spiele geschrieben. Durch videogametourism habe ich meinen „Output“ bzw meinen speziellen Fokus aber insofern geschärft, dass auch anderswo Texte von mir Aufnahme gefunden haben. Das sind einerseits deutschsprachige (Online-)Medien, wie zB golem.de, Die Zeit, der Spiegel und der Standard, aber auch englische Seiten: Es gab Auftritte für KillScreen online und Print, eine Serie von Texten für die Huffington Post. Was mich persönlich freut, ist, dass ich Anteil an einer spannenden Wandlung im Schreiben über Spiele habe und mit meinen deutschen, aber auch meinen englischen Texten (die gibt es hin und wieder) auf Augenhöhe mit jenen Autoren schreiben kann, die ich selber bewundere. Dass meine Texte auch international zB auf dem amerikanischen Games-Journalismus-Watchblog Critical Distance regelmäßig empfohlen werden, freut mich besonders. Es ist eine spannende Konversation, besonders, weil das Medium Spiele aktuell einen – auch oft schmerzhaften – Prozess des Erwachsenwerdens durchmacht. Es sind interessante Zeiten.
„Facebook verweigere ich“
Was hat das Bloggen in deinem Leben verändert?
Es hat auf jeden Fall die Bedeutung der Konzepte von „ Freizeit“ und „ Arbeitszeit“ insofern verwischt, als ich mich zu jeder Tages- und Nachtzeit hinsetzen kann, um zu schreiben und zu veröffentlichen. Das ist Segen und Fluch zugleich.
Was macht dich persönlich zum Experten für dein Thema?
„ Expertentum“ ist so eine Sache. Was mein Schreiben vielleicht „anders“ macht, ist mein atypischer Background. Vielleicht schaffe ich es ja auch deshalb manchmal, einen anderen Blick zu haben, weil ich eben im Unterschied zu vielen „professionellen“ Games-Journalisten weniger Experte bin. In einem so technischen Medium wie Spielen ist mein feuilletonistischer Zugang vielleicht auch der Grund, warum manche meine Texte gern lesen.
Auf welchen Kanälen können deine Leser mit dir in Kontakt treten?
Ich bin per Blogkommentar, Twitter und Mail erreichbar. Nur Facebook verweigere ich – aus folgenden Gründen: fm4.orf.at/stories
Wann war der letzte Tag, an dem du komplett offline warst?
Das muss wohl 2011 in Myanmar gewesen sein. Traurig, aber wahr.
Wie wirken sich die verschiedenen Social-Media-Kanäle auf deinen Blog aus?
Hin und wieder sind Twitter-Diskussionen Ausgangspunkt für Texte oder Essays. Und so mancher kleine Shitstorm, ob selbst verschuldet oder nicht, bricht sich auch via Twitter seinen Weg auf meine Seiten oder setzt sich dort fort.
„Scheue dich nicht, Position zu beziehen“
Kann man in Österreich mit Bloggen Geld verdienen?
Vermutlich, aber dann eher mit Massenthemen. Für mich hat VGT eher eine Art „Umwegrentabilität“ gebracht – durch mein Blog habe ich die Gelegenheit bekommen, andernorts bezahlt zu schreiben. Das hat mir aber auch die Freiheit bewahrt, für VGT ganz auf kommerzielle Hintergedanken zu verzichten.
Wie kommst du auf deine Inhalte?
Ich verfolge das Medium Computerspiele aufmerksam seit etwa 28 Jahren – als Konsument, aber auch als Leser der Fachpublikationen, zu Anfang auf Papier, nunmehr online. Da gibt es natürlich Themen, Gebiete und Bereiche, die man besser kennt und die einem mehr am Herzen liegen. Es ist ein ständig explosiv wachsendes Feld mit unzähligen Seitenarmen. Wer mit offenen Augen spielt und liest, findet da Stoff genug.
Wieviel Prozent deiner Leser sind aus nicht aus Österreich?
Ich schätze einmal ganz frech, dass zahlenmäßig die wenigsten Leser Österreicher und die allermeisten Deutsche, gefolgt von US-Amerikanern sind. VGT ist – thematisch bedingt – sehr international.
Hast du Tipps für Leute, die als Blogger einsteigen wollen?
Schreib für dich selber, so, wie du es gerne lesen würdest. Lauf keinen Trends nach. Vernetze dich auf Twitter. Scheue dich nicht, Position zu beziehen. Antworte deinen Lesern. Und, vielleicht das Wichtigste: Regelmäßigkeit und Qualität beim Bloggen sind wichtiger als Quantität. Lieber nur ein guter Text jede einzelne Woche als täglich zehn schwache und dann wieder wochenlang Ebbe.