Ein halbes Dutzend Frauen und Männer sitzen an dem länglichen Tisch und begutachten ihre mitgebrachten Haushaltsgeräte. Die Mutigeren zerlegen die Teile selbstständig, während die anderen zuvor den anwesenden R.U.S.Z-Mitarbeiter um seinen kompetenten Rat fragen wollen. Die Reparaturarbeiten müssen aber von allen Besuchern selbst erledigt werden. Das Reparatur Café schraube14 in der Lützowgasse im R.U.S.Z bietet jeden Donnerstag Nachmittag Hilfe zur Selbsthilfe.
Regina hat eine Brotschneidemaschine, ein elektronisches Maniküre- und ein Headset mitgebracht. Für ihren blinden Sohn ist ein neues Gerät im Haushalt jedes Mal eine Herausforderung. Deshalb kommt sie öfters ins Reparatur Café .
TU-Student Paul will seiner Ex-Freundin eine Freude machen. Die hängt nämlich an ihrem zwanzig Jahre alten Toaster, der vor kurzem den Geist aufgegeben hat. „Ich glaube, es ist nur das Kabel.“ Der junge Mann ist das erste Mal hier, kann sich aber vorstellen, in Zukunft öfters vorbeizuschauen. „Ich besitze ein paar Sachen, die man wieder in Schuss bringen sollte.“
„Ich will nicht alles wegschmeißen“
Factbox
Reparatur Café schraube14
Lützowgasse 12-14
1140 Wien
Jeden Donnerstag 14.00-17.00 Uhr
Keine Voranmeldung. Die Teilnahme ist gratis,
zu bezahlen ist nur das Material.
schraube14
Informatiker Andreas schraubt an einer ebenfalls zwanzig Jahre alten Brotschneidemaschine herum. „Die gehört meiner Mutter. Wir haben eine Neue gekauft, aber mit der war sie nicht zufrieden. Alte Geräte funktionieren sowieso meistens besser als neue.“
Für Marianne ist das Reparatur Café schon seit einiger Zeit ein wöchentlicher Fixtermin. Heute holt sie sich Rat, um eine defekte Lampe wieder zum Leuchten zu bringen. Die gelernte Keramikerin hat hier sogar ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt. „Mir gefällt das Reparieren von elektrische Geräten so gut, dass ich einen Beruf daraus machen möchte. Im Herbst fange ich mit einem Wifi-Kurs an.“
Jeder einzelne von ihnen sagt: „Ich will nicht immer alles wegschmeißen.“
„Die Idee dahinter ist, dass Kunden Geräte auch dann weiter benutzen können, wenn sich die Reparatur durch einen Betrieb nicht mehr auszahlt,“ erklärt Sepp Eisenriegler, der Geschäftsführer des Reparatur- und Service-Zentrums R.U.S.Z Die Firma in Wien-Hütteldorf, die großteils ehemalige Langzeitarbeitslose beschäftigt, wurde von dem ehemaligen AHS-Lehrer aufgebaut. Hier werden alte Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik und Computer repariert oder nach einem gründlichen Service wieder verkauft.
Das R.U.S.Z, die Mutter des Reparatur Cafés
„Wenn jemand mit einem komplexen Gerät wie einer Stereoanlage ins Reparatur Café kommt, dann schicken wir ihn zehn Meter weiter zur Übernahme für Reparaturen. Das ist dann kostenpflichtig.“ Sepp Eisenriegler ist mittlerweile in Österreich die erste Adresse, wenn man eine Ansprechperson für geplante Obsoleszenz (Anm.: absichtliche Verringerung der Lebensdauer von Produkten) sucht.
„Wenn wir eine Waschmaschine von einer Markenfirma überholen, dann tauschen wir jeden Verschleißteil aus. Die hält dann noch zehn Jahren. Kaufen Sie eine neue um 300 €, läuft sie nur drei.“ Bei Geräten wie Filterkaffeemaschinen, Toaster, Mixer oder Föns würde hingegen der Kostenvoranschlag teurer kommen als ein Neugerät. „Da unterstützen wir die Leute lieber, damit sie solche Produkte selber reparieren statt wegwerfen.“
Die letzten Nothelfer
Als er vor über 16 Jahren mit dem R.U.S.Z. begonnen hat, war die Stammkundenklientel noch eine andere. „Die bestand damals zu 90 Prozent aus sozial Schwachen und aus Menschen aus der Nachkriegsgeneration, die nichts wegschmeißen konnten, obwohl sie zum Teil durchaus Geld hatten.“ Heute beobachte er einen Trend zum nachhaltigen Konsum. „Jetzt kommen auch Junge und Hochgebildete, die einfach bei dieser Wegwerfgesellschaft nicht mitmachen wollen und sich langlebigere Produkte wünschen. Offensichtlich wird der Boden für eine neue Konsumform aufbereitet,“ hofft er.
Von Zeit zu Zeit findet auch ein Nostalgiker seinen Weg ins R.U.S.Z.. Eisenriegler erinnert sich an einen Herren jenseits der Achtzig, der unbedingt sein Koffertonbandgerät repariert haben wollte. „Wir haben ihm im Vorfeld gesagt, dass der Auftrag um die 600 € kosten würde, weil es keine Ersatzteile mehr gab. Wir mussten sie selber anfertigen, ein Mitarbeiter hat die Antriebsriemen geschnitzt.“ Dem alten Mann war der Preis egal, das Gerät hatte einen ideellen Wert für ihn. Nach der teuren Reparatur verriet er Eisenriegler, warum sein Herz so daran hing. „Die ersten Stimmbildungsversuche seiner Tochter waren auf dem Tonbandgerät. Die Aufnahmen wurden gemacht, als sie ein Baby war. Heute ist sie ein gefeierte Opernstar.“
Bei einer der Elektrohandelsketten hätte wohl niemand das Gerät retten können. „Wir vom R.U.S.Z. sind oft die letzten Nothelfer, wenn es darum geht, ein Produkt doch noch zu reparieren.“