dieZeitschrift
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Crowdfunding ist Arbeit

Montag, 25. August 2014
Mehr als eine Million Crowdfunding-Kampagnen haben 2012 auf rund 600 Plattformen 2,7 Milliarden US-Dollar gesammelt. Künstler, Musiker, Unternehmen, Einzelpersonen, karitative Initiativen und Start-Ups nutzen den Schwarm, um ihre Projekte zu finanzieren. Aber wie startet man ein Projekt, wo sind die Fallstricke und wie schließt man eine Kampagne erfolgreich ab? dieZeitschrift hat beim Crowdfunding-Coach Wolfgang Gumpelmaier nachgefragt.

Der Kommunikationswissenschafter Wolfgang Gumpelmaier startete vor fünf Jahren sein erstes
Crowdfunding-Projekt. Es fanden sich nicht genügend Unterstützer. Für ihn war das der Anlass, sich mit erfolgreich vom Schwarm finanzierten Filmprojekten zu befassen. Seither hat er viele gelungene Crowdfundingprojekte beraten, hält Workshops und Webinare, um Crowdfunder bei der Planung der Kampagnen zu unterstützen.

Info und Materialien

Crowdfunding ist eine Möglichkeit, um Geld für ein Projekt via einer Online-Plattform von vielen Menschen in einem bestimmten Zeitraum zu erhalten.

Dreiwöchiger Online-Crowdfunding-Workshop: ab 99 bis 298 Euro

Crowdfunding-Handbuch (Print 14,99, PDF 2,99) von Karsten Wenzlaff, Karin Blenskens, Wolfgang Gumpelmaier, Ina Roß

Auf ununi.tv: Crowdfunding-Talk: via Twitter und Google+ kann das Publikum Fragen stellen.

Crowdfunding-Sprechstunde in Linz

dieZeitschrift: Was sind die ersten Schritte um ein Crowdfundingprojekt zu starten?
WG: Die Crowdfunding-Kampagne beginnt schon lange, bevor das Projekt tatsächlich auf einer der vielen Plattformen platziert wird. Vorbereitung ist alles. Sich in das Thema einlesen.

Ein Konzept erarbeiten und sich zu fragen: Was ist das Projekt? Was kann die Crowd dazu beitragen und was kriegt sie dafür? Man braucht ein klar definiertes Ziel, ein durchdachtes Konzept, indem man die Einzigartigkeit des Projektes herauskitzelt.

Es lohnt sich lange vor dem Kampagnenstart eine Community in den sozialen Medien aufzubauen, ganz klassisch E-Mail-Adressen zu sammeln, möglichst viele persönliche Kontakte bei einschlägigen Veranstaltungen zu schließen und sein Telefonbuch mit Journalistennummern zu befüllen. All diese Kontakte kann man nach dem Kampagnen-Start aktivieren.

Es gilt zu überlegen, wo die Community das Projekt unterstützen kann. Crowdfunding ist ja nicht nur zur Finanzierung da, sondern ist auch auch ein Innovations-Vehikel: Die Crowd gibt Feedback, betreibt Marketing und Werbung für das Projekt.

Man sollte selbst ein Projekt unterstützen um zu lernen, wie andere Projektwerber mit ihren Investoren kommunizieren, ihre Ideen vorstellen und ob sie damit erfolgreich sind.

Crowdfunding-Modelle

Wolfgang Gumpelmaier ist Crowdfunding-Berater
Winfried Flohner
Wolfgang Gumpelmaier

dieZeitschrift: Welche Formen von Crowdfunding gibt es?
WG: Man sollte überlegen, welches Modell sich am besten für das Projekt eignet. Crowdfunding ist nur der Überbegriff. Es gibt vier Varianten:

Equity-based Crowdfunding oder Crowdinvesting: Investoren können in bereits bestehende Unternehmen oder Start-ups investieren. Dafür erhalten sie je nach Investitionshöhe Anteile am Gewinn des Unternehmens. In Österreich gibt es mehrere Crowdinvesting-Plattformen wie 1000x1000, Conda, Green Rocket, Crowdcapital.

Lending-based Crowdfundig: Mehrere Personen geben einem bestehenden Unternehmen einen Kleinkredit. Die verborgte Summe erhalten die Kreditgeber verzinst innerhalb einer bestimmten Zeit zurück.

Donation-based Crowdfunding: Ist ein klassisches Spendensystem mit den Charakteristika aus dem Crowdfunding. In einem begrenzten Zeitraum soll eine gewisse Summe für ein Projekt gesammelt werden. Dafür gibt es nur ein gutes Gewissen, aber keine Goodies. Respekt.net ist ein gutes Beispiel.

Reward-based Crowdfunding: Die Investoren erhalten für eine gewisse Summe vom Projektwerber ein in der Kampagne unterstütztes Produkt wie ein Buch, ein Kunstwerk, ein Gadget oder eine CD. Im deutschsprachigen Raum bieten Indiegogo, Startnext und Visionbakery dieses Modell an.

Wie sucht man einen Plattform aus?

dieZeitschrift: Wie sucht man sich eine Plattform aus?
WG: Zuerst definiert man seine Zielgruppe: Ist der Schwarm deutschsprachig? Sind sie eher lokal oder international? Sind es online-affine Menschen? Oder spricht das Projekt eher Menschen in der Offline-Welt an? Bei Letzteren muss man sich überlegen, wie man sie einbezieht: Man kann sie zu Veranstaltungen einladen oder Flyer erstellen.

Dann kann man auf den Plattformen nachschauen, wo „meine“ Zielgruppe, die mein Projekt am besten unterstützen kann, daheim ist.

Jede Plattform hat ihre Richtung. Auf Indiegogo, Visionbakery, Kickstarter und Startnext gibt es viele Kreative, Künstler und Designer, die über die Crowd Bücher, Filme, Gadgets, Theaterproduktionen und CDs finanzieren. Musikstarter.de ist gleichzeitig auch ein Plattenlabel. Der Schwarm finanziert die CD-Produktion und Promotion der Künstler. Auf respekt.net werden nachhaltige und zivilgesellschaftlich relevante Initiativen unterstützt.

Auch Crowdinvesting-Plattformen haben ihre Richtungen. Via Green Rocket beteiligen sich Investoren an Unternehmen, die nachhaltige Produkte erzeugen und alternative Energiequellen anbieten. Bei Conda.at wurden bisher Energydrinks, Low-Carb-Bier und eine Tierzubehörhandlung finanziert.

Es ist wichtig herauszufinden, welche Bezahlmöglichkeiten die Plattformen anbieten: PayPal, Lastenschrift, Kreditkarten, Banküberweisungen, Vorauskasse, etc. Vor allem ältere Menschen haben meist kein PayPal-Konto.

Auf jeden Fall sollte man sich die Provisionen ansehen, die die Plattformen für eine erfolgreiche Kampagne verlangen.

Die meisten Plattformen haben das sogenannte Alles-oder-nichts-Prinzip. D.h. die Zielsumme muss in einer vorgegebenen Zeit von der Crowd investiert werden. Erhält der Projektwerber den angepeilten Betrag nicht, erhalten alle Crowdfunder ihr Geld zurück. Bei der amerikanischen Plattform Indiegogo gibt es ein Flexibles Funding. Hier darf der Projektwerber den gesammelten Betrag behalten, egal ob die Zielsumme erreicht wurde oder nicht. Indiegogo sagt, dass die Projektwerber auch mit weniger Geld ihre Visionen umsetzen können. Wenn sie etwa Abstriche machen, die Projektdauer verlängern oder einen zusätzlichen Investor suchen.

Kosten für den Projektwerber

dieZeitschrift: Welche Kosten erwarten einen Projektbetreiber?
WG: Neben den Provisionen für die Plattformen, kosten auch die Bezahlsysteme Geld. Beim reward-based Modell muss man sich überlegen, welche Goodies man seinen Investoren geben will. Goodies und deren Versand kosten Geld. Bei einem erfolgreichen Crowdfunding muss man über die Gesamtsumme Einkommenssteuer bezahlen.

dieZeitschrift: Was sollte der Projektwerber tun, nachdem sein Projekt online ist?
WG: Man sollte sich marketingtechnisch nicht auf die Plattform verlassen. Nur weil eine Crowdfunding-Plattform bekannt ist, ist das keine Erfolgsgarantie. Vor allem bei den großen Webseiten rittern viele Projekte um die Aufmerksamkeit der Interessenten. Und das macht es schwierig, einzelne Projekte hervorzuheben. Man muss Leute selbst zu seinem Projekt hinlocken, in dem man die am Anfang gesammelten Kontakte aktiviert.

Schafft man es gleich nach Kampagnenstart einen Teil der Finanzierungssumme aufzustellen, wird das Projekt meist im Plattform-Newsletter präsentiert und prominent auf der Startseite platziert.

Während der Projektlaufzeit sollte man immer mit seiner Crowd kommunizieren: sie via Plattform, Mails, Soziale Medien, Webseite oder Blog über den Fortschritt informieren und Feedback einholen.

Was sollte man als Crowdfunder auf keinen Fall tun?

dieZeitschrift: Was passiert nach dem Ende der Projektlaufzeit?
WG: Wurde die Zielsumme nicht erreicht, wird das Geld den Investoren zurücküberwiesen und die Plattform und der Projektwerber gehen leer aus. Ist die Kampagne erfolgreich, behalten die Webseitenbetreiber ihre Provision ein, die Bezahlsysteme werden entlohnt und den restlichen Betrag erhält der Crowdfunder.

dieZeitschrift: Gibt es eine Kontrolle, ob das Geld tatsächlich in das Projekt investiert wurde?
WG: Jein. Manche Plattformen kontrollieren den Fortschritt der erfolgreich finanzierten Projekte, meist ist aber der Crowdfunder dafür verantwortlich mit seinen Geldgebern kommunizieren. Die Qualitätssicherung fehlt noch ein bisschen.

Bei Crowdinvesting auf jeden Fall. Die Unternehmen müssen regelmäßig Berichte an die Investoren übermitteln und die meisten Plattformen überprüfen die Firmen.

dieZeitschrift: Was sollte man als Crowdfunder auf keinen Fall tun?
WG: Crowdfunding verwenden, weil es hip ist und vermeintlich schnelles Geld verspricht. Lange Finanzierungslaufzeiten halten die wenigsten Projektbetreiber und vor allem die Crowd nicht durch. Wenn man nicht mit der Crowd kommunizieren will, sollte man sich ein anderes Finanzierungsmodell überlegen.

In der Augustausgabe von t3n gibt Wolfgang Gumpelmaier 10 Tipps für erfolgreiche Crowdfundingprojekte.

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