Ludwig Schedl
respekt.net

Crowdfunding ist kein Bankomat

Donnerstag, 21. August 2014
Insgesamt hat respekt.net drei Online-Plattformen gegründet: Eine um via Crowdfunding zivilgesellschaftliche Projekte zu unterstützen, eine um die vielfältigen Funktionen unserer Abgeordneten transparent darzustellen und eine um endlich Klarheit in den Steuerdschungel zu bringen.

Martin Winkler ist erfolgreicher Unternehmensberater, Vater dreier erwachsener Kinder und braver Steuerzahler. Vor ein paar Jahren hatte er das Gefühl, beruflich etwas erreicht zu haben und erkannte, dass er sich auch Zeit für etwas anderes nehmen sollte. Zeit, um gesellschaftliches Engagement zu unterstützen. Es gab nicht das eine große auslösende Ereignis, das ihn dazu bewegte, sich in seiner Freizeit ehrenamtlich zu engagieren und sein eigenes Geld in nachhaltige Projekte zu investieren. Es waren u.a. politisch immer noch ungelöste Themen, mit denen sich seine Kinder beschäftigten: Zuwanderung, Zusammenhalt in der Schule, Schuleventteilnahme von Mitschülern aus armen Haushalten, die ihn dazu gebracht hatten.

„Menschen folgen den ausgetrampelten Pfaden der Politik immer weniger. Es wäre an der Zeit der etablierten Politik einen Schubs zu geben. Diese Schubser kommen von aktiven Staatsbürgern, die sich zivilgesellschaftlich engagieren,“ sagt er. Und genau diese wollte er unterstützen. Die Idee entstand, eine Online-Plattform zur Finanzierung von Initiativen zu kreieren.

2010 ging respekt.net online. Eine Crowdfunding-Plattform, um Ideen, Konzepte und Projekte von engagierten Einzelpersonen, Vereinen und losen Gruppen durch den Schwarm finanzieren zu lassen. Unterstützer können Zeit, Geld und Wissen investieren. „Investieren wie in: In die Zukunft unserer Kinder investieren.“ Denn das investierte Geld gilt vor dem Staat als „unwiderrufliche Schenkung.“ Die Rendite ist zu wissen, dass man jemanden hilft.

„Bis jetzt hat noch keiner das Geld für einen Griechenlandurlaub verwendet.“

568 Projekte wurden bisher eingereicht, über 350 davon auf die Plattform gestellt und davon mehr als 50 Prozent erfolgreich finanziert. Der Rest erreichte die Finanzierungssumme nicht oder wurde von den Projektbetreibern abgebrochen.

80 Prozent der Projektwerber sind lose Gruppen, Initiativen, und Einzelpersonen und nicht große NGOs oder Vereine. „Das ist ein Zeichen von Strukturwandel.“ Für solche Initiativen gab es vor respekt.net kaum Finanzierungsmöglichkeiten, da sie weder einer politischen Partei angehören noch Zugang zu Förderungen oder Stiftungen haben.

Seit 2010 wurden auf Respekt.net mehr als 175 Projekte mit fast 700.000 Euro erfolgreich finanziert. Der Durchschnitts-Investor spendet 75 Euro pro Projekt: Wie in Forschungsarbeiten, Stromversorgung für eine Schule in Nigeria, Kunstprojekte zum Thema Klimawandel, dem Diversity-Ball, Schulworkshops, NachbarInnenprojekte und die Plattform meineabgeordneten.at. Bisher sind nur drei ausfinanzierte Projekte nicht vollständig umgesetzt worden. Das Geld wurde von den Initiativen zurück überwiesen. „Bis jetzt hat noch keiner das Geld für einen Griechenlandurlaub verwendet.“

Alles oder Nichts

Respekt.net funktioniert nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Wird eine Finanzierung nicht erfolgreich abgeschlossen, steht es den Crowdfundern frei das Geld zurückzufordern oder in ein anderes Projekt zu investieren. Die meisten unterstützen eine andere Initiative. Die Auswahl auf Respekt.net ist groß, geht von Journalisten-Workshops über Yogaschulen bis hin zu Lernhilfen für Roma-Kinder.

Jeder kann ein nachhaltiges, zivilgesellschaftlich relevantes Projekt mit einer Finanzierungsperiode zwischen drei und sechs Monaten einreichen. Auf der Webseite gibt es Leitfäden und Hilfestellungen. Respekt.net unterstützt die Crowdfunding-Kampagnen. Jedes Projekt wird in einem Newsletter den rund 10.000 Abonnenten und via Facebook und Twitter vorgestellt. Den Rest muss jeder Projektwerber selbst machen.

Mitglieder des Vereins Respekt.net
Respekt.net / Gangoly
Die Initiative R Senior Advisory Board (vlnr): Martin Winkler (Präsident Respekt.net), Elfriede Hammerl (Journalistin, Autorin), Wolfgang Petritsch (OECD-Botschafter), Heide Schmidt, Johannes Voggenhuber, Maria Baumgartne

„Crowdfunding ist nicht der Weg zum Bankomat oder zu einer Fördereinrichtung“. Gelingt es dem Projektwerber, zehn Leute in seinem Umfeld für seine Idee zu begeistern, stehen die Chancen gut, dass sie genügend Schwarm-Investoren findet. Sobald das Projekt ausfinanziert ist, wird es dem Betreiber je nach Höhe in bis zu drei Teilbeträgen ausbezahlt. Ob die Projekte umgesetzt wurden, wird regelmäßig stichprobenartig nachkontrolliert.

Respekt.net behält 9,84 Prozent Bearbeitungsgebühren ein. Das deckt jedoch nur 20 Prozent der Kosten der Projektbörse. Der Rest wird über die 80 Mitglieder des Vereins Respekt.net finanziert.

Zugangsticket lösen

Via Respekt.net wurde auch die „hauseigene“ Transparenzplattform meineabgeordneten.at finanziert. Seit 2011 ist im Netz abrufbar, welche politischen oder öffentlichen Funktionen Abgeordnete haben, bei welchen Vereinen, Verbänden und Kammern und in welchen Unternehmen sie in welchen Positionen tätig sind. Schließlich sollte jeder Wahlberechtigte darüber Bescheid wissen.

Das neueste „hauseigene“ Projekt ist steuernzahlen.at. In Österreich gibt es 90 Steuern und unzählige Abgaben. „Wir konnten es nicht fassen. Niemand weiß, wie viel Steuer er an den Staat zahlt. Kurioserweise gibt es in Österreich nur eine Lohn- und Einkommenssteuerstatistik. Die vermögensbezogenen Steuern werden nicht statistisch untersucht, und die Konsumsteuern werden nur im Rahmen einer Konsumerhebung zyklisch erfasst, aber nicht den Steuersubjekten zugeordnet. Das heißt, es gibt in Österreich keine Gesamtsteuerstatistik. Wir haben überall nachgefragt, bei der Statistik Austria, den Wirtschaftsforschungsinstituten, beim Finanzministerium, etc. Es interessiert offenbar niemanden außer den Wähler. Deshalb haben wir steuernzahlen.at eingerichtet.“

Mehr als 10.000 Steuerzahler haben bereits ein Zugangsticket gelöst, rund 2.000 haben das vollkommen anonyme Formular bereits zu 100 Prozent ausgefüllt. Damit das Projekt erfolgreich ist, müssen noch 3.000 Menschen ein „Ticket“ ziehen und mitmachen. Jeder erfährt, wie viel Steuer er tatsächlich bezahlt. Die Datenbank wird nach Einkommensgruppen, Alter und Geschlecht ausgewertet. Winkler ist fest davon überzeugt, dass die Ergebnisse die Politik aufrütteln werden.

Am 19. September 2014 findet ab 18:30 Uhr zum vierten Mal der Tag des Respekts im Museumsquartier Wien statt. Zur Geburtstagsfeier der Crowdfunding-Plattform Respekt.net sind alle Mitglieder, Initiatoren, Investoren und Interessenten eingeladen.

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