In Jedlersee wurde im Schlosspark eine Wohnanlage gebaut, im Augartenspitz eine Konzerthalle errichtet. Gegen die Projekte gab es Widerstand aus der Bevölkerung. Vergeblich. In Meidling kämpfen Anrainer gegen die Errichtung eines 120 Meter hohen Hochhauses am Rand der Schutzzone des Schlosses Schönbrunn. Sie vermuten „reine Spekulationskubatur mit enormem Widmungsgewinn für den Betreiber, aber ohne öffentlichen Nutzen.“
In der Krieau setzen sich Anrainer für die Erhaltung des Areals als Sport- und Erholungsgebiet ein, seit auf einem Gastgarten ein Parkhaus gebaut wurde.
Der Wiener Cottage Verein in Währing und Döbling bemüht sich seit 1872 um die Erhaltung des historischen Ensembles. Es soll Vorrang gegenüber exzessiver kommerzieller Nutzung haben. Insgesamt haben sich 37 Bürgerinitiativen (BI) zusammengeschlossen, um am 25. September für die Erhaltung des Kulturerbes Wien zu demonstrieren. Den Ehrenschutz hat der Maler Ernst Fuchs übernommen.
Schutzzonen
In Wien gibt es rund 130 Schutzzonen, in denen etwa 10.000 Gebäude stehen. Die Zonen dienen zur Erhaltung des charakteristischen Stadtbildes, Neubauten sollen sich in das Stadtbild einfügen. Darüber wacht die Wiener Baupolizei. Trotzdem werden immer wieder Häuser in Schutzzonen abgerissen: Vier Häuser wurden im Sommer 2013 in Neustift am Walde abgetragen. Bei einem stürzte über Nacht eine tragende Mauer ein. Am nächsten Tag wurde es abgerissen. Es wäre Gefahr in Verzug gewesen, sagt der Bauträger. Die Baupolizei musste den Abbruch genehmigen und begann zu ermitteln. Das Haus ist weg. Neubauten entstehen, deren Fassaden weitgehend den historischen Vorgängerbauten gleichen sollen. Darauf habe sich der Bezirk und der Bauherr geeinigt. Nach zahlreichen Bürgerprotesten.
Baustopp
Der Döblinger Bauausschuss verhängte eine Bausperre. Es soll keine Baubewilligungen mehr ohne die Zustimmung des Bezirksrates geben. Diese Verantwortung der Bezirke fordert auch der Vorstand des Vereins Initiative Denkmalschutz, Markus Landerer, ein. „Die politischen Bezirksvertreter müssen sehen, dass sie mit der Abgabe von Stellungnahmen zu Änderungen von Flächenwidmungs- und Bebauungssplänen durchaus Grätzel erhalten können. Das verschlafen viele Bezirke vollkommen. Auch in der Donaustadt gab es vor zehn Jahren keine Stellungnahme, und so versäumte man die Möglichkeit, eine Schutzzone zu errichten.“
Deshalb stand auch das 1905 errichtete Hopfhaus in keiner Schutzzone. Anfang September wurde es trotz Bürgerprotesten abgerissen. Der inzwischen verstorbene Bezirksvorsteher Norbert Scheed sagte damals im Gespräch mit der Wiener Zeitung, dass er versucht habe, die Bauträger der Wohnanlage zu überzeugen, wenigstens die Fassade stehen zu lassen: Diese allerdings würden sich ignorant über den Wunsch der Bevölkerung hinwegsetzen.
Eva-Christina Fischer organisierte im März eine Bürgerinitiative, um das Haus zu erhalten. Vergeblich. „Egal mit wem ich darüber spreche, alle sind zutiefst betroffen. Die Jugendlichen können es nicht fassen, dass ein wunderschönes Haus einem Betonklotz weichen muss. Leider wird der Wahnsinn in 1210 und 1220 Wien weiter fortschreiten.“
Abbruchreif
In Wien gibt es mehr als 3500 denkmalgeschützte Objekte, darunter sind nicht nur Gebäude, sondern auch Statuen, Denkmäler und Kirchen. Jährlich kommen österreichweit rund 500 neue Objekte hinzu: von Autos über archäologische Funde bis hin zum Ensembleschutz wie in Melk oder Rattenberg. Über diese wacht das Bundesdenkmalamt, somit auch über die Pavillons des Otto-Wagner-Spital auf der Baumgartner Höhe.
Seit 2011 kämpft die Bürgerinitiative steinhof-erhalten gegen die geplante Verbauung des Areals. Sie sammelten knapp 60.000 Unterschriften, saßen wochenlang in Mediationen und veranstalteten Demos, Lichterketten und die Lemonibergpredigt. Vorerst wird nicht gebaut. „Pavillons werden nicht mehr renoviert. Es scheint als würde man warten, bis die Bausubstanz so desolat ist, dass sie wegen gravierender Bauschäden aus dem Denkmalschutz herausfallen,“ sagt der Sprecher der BI, Gerhard Hadinger. Es gäbe eine bewährte Methode: man ließe die Gebäude recht lange leer stehen, bis sie so desolat seien, bis sich keiner mehr finde, der das Haus renovieren würde und dann sehe sich das Bundesdenkmalamt, die Gebäude aus dem Denkmalschutz zu entlassen. Technische und wirtschaftliche Abbruchreife ist der Fachbegriff dafür.
Aufhebung des Denkmalschutzes
Andreas Lehne vom Bundesdenkmalamt sagt, dass man eine Aufhebung des Denkmalschutzes erwirken kann, „indem man glaubhaft macht, dass das Objekt am Ende seiner Lebenszeit angelangt ist und nicht mehr erhalten werden kann.“ Schließlich können Gebäude auch abbrennen oder zusammenbrechen, sodass keine Wiederherstellung möglich sei. Besitzer von denkmalgeschützten Häuser, lassen diese allerdings oft leerstehen und verfallen. „Es gibt keine Möglichkeit, den Eigentümer zu zwingen, Erhaltungsmaßnahmen zu treffen. Das Bundesdenkmalamt ist machtlos. Nur in seltenen Fällen übernimmt das Bundesdenkmalamt die Renovierung.“
Autobahn
Den Bauprojektleiter Werner Schandl interessiert Denkmalschutz schon aus beruflichen Gründen, er meint, man müsse nicht jedes Haus erhalten, aber man sollte gut abwägen, welche Häuser man abreißt. Für ihn ist es eine Frage der Zivilcourage, sich gegen manche politische Entscheidungen zu stellen. So auch gegen den Beschluss des Baus einer Verbindungsautobahn zwischen der A23 und der S1 in Hirschstetten. An den Blumengärten Hirschstetten, am Rosarium, am Hochzeitsgarten, am Badeteich und an der Rückseite von zwei Kindergärten soll eine Autobahn vorbeiführen. 2012 gründete er die Bürgerinitiative Hirschstetten-retten, um gegen den Bau der vierspurigen „Stadtstraße“ quer durch dicht verbautes Gebiet in Hirschstetten zu protestieren.
Als der Petitionsausschuss in Wien ihr Anliegen ablehnte, brachten die Aktivisten ihren Protest nach Brüssel. Der Petitionsausschuss forderte die Europäische Kommission auf, Auskünfte bei Ministerien und Verwaltungsstellen in Österreich einzuholen.
Petitionsausschuß
Seit 2013 haben Wiener die Möglichkeit, ihre Anliegen beim Petitionsausschuss einzubringen. Es wurden 49 Petitionen eingereicht. Man holte 47 Stellungnahmen ein, nur drei Petititionseinreicher wurden eingeladen. In zwei Fällen sprach man Empfehlungen aus, in zehn Fällen wurde die Petition ohne Ausspruch von Empfehlungen beendet. Der Antrag der Initiative steinhof-erhalten, das Otto-Wagner-Areal zum Weltkulturerbe erklären zu lassen, wurde abgelehnt. Es stünde schon unter Denkmalschutz und in einer Schutzzone.
2014 wurden 26 Petitionen eingereicht. Es geht um Verkehrsberuhigung, Revitalisierung des Schwarzenbergplatzes, religiöse Symbole in Schulklassen und die Errichtung des 73 Meter hohen Wohnturms beim Wiener Eislaufverein. Gleich drei Gruppen reichten Petitionen gegen das Hochhaus ein. Sie fordern eine massive Verkleinerung des Projekts und die Reduzierung des Gebäudes auf 45 statt 73 Meter. Noch hat der Gemeinderat keiner Flächenumwidmung zugestimmt. Eine Genehmigung würde den Status UNESCO-Weltkulturerbe Innenstadt gefährden, fürchten die Bürgerinitiativen. Der Petitionsausschuss selbst kann nur Empfehlungen abgeben.
37 Bürgerinitiativen
Die Ziele der Initiativen sind ähnlich: Man wünscht sich ein Einlenken der Politiker, das Ende der Zerstörungswut gegenüber Kulturgütern, man hofft die Bevölkerung aufzurütteln. Man will sich vernetzen und es so der Politik schwer machen, Umwidmungen durchzubringen. Und um zu demonstrieren, dass den Bürgern die Entwicklung der Stadt und ihres Kulturerbes nicht egal ist. Mitorganisator Rainer Balduin ist nicht überrascht, dass so viele Initiativen mitmachen. „Die Menschen fühlen sich von der Politik verschaukelt und nicht geschaukelt.“