Marliese Mendel
Porträt

Die widerspenstige Brandstifterin

Dienstag, 17. Dezember 2013
Thomas Ballhausen ist Vielleser, Vielschreiber, Vielarbeiter und meint trotzdem, nicht fleißig genug zu sein. Er ist Autor, Lektor an der Universität Wien und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Filmarchiv Austria. Mit dieZeitschrift hat er über zerbeulte Ermittler und weiße Schreibtische gesprochen und darüber, was das Beste an ihm ist.

Ballhausen wohnt gerne in Wien. Obwohl er oft reist, ist er froh, von hier nie um des Weggehens willen weggegangen zu sein. Hier steht sein weißer „Literaturschreibtisch“. An diesem entstand die Erzählung „Lob der Brandstifterin“: ein phantastischer Krimi, eine Liebesgeschichte, eine apokalyptische Fabel.

Thomas Ballhausen, Lob der Brandstifterin,
Marliese Mendel

dieZeitschrift: Anstatt eines Nachwortes gibt es „Nachbilder“ von Jack Hauser, wie kam es dazu?

TB: Der Künstler und Choreograph Jack Hauser hat die Biographie der mysteriösen Antiheldin Miryam van Doren erfunden. Er hat mich großzügig eingeladen, an diesem Projekt mitzuarbeiten und ich habe mich mit Lesungen und Performances beteiligt. Den Wunsch, mich mit einer fragwürdigen, aber sehr verführerischen Figur zu beschäftigen war schon zuvor vorhanden, doch die Zusammenarbeit hat mich dann dazu gebracht, dieser Figur eine Kontur zu geben. Die Brandstifterin ist aber nicht einfach Miryam van Doren, sie ist eine eigenständige Schöpfung, ein gänzlich anderes Geschöpf.

dieZeitschrift: Die Brandstifterin trifft den namenlosen Ich-Erzähler. Er trägt „viele schwere Gepäckstücke der Vergangenheit, er kann sich kaum von der Stelle bewegen“.

TB: Die beiden sind ein ungleiches Paar. Der zerbeulte Ermittler trägt etwas Unausgeheiltes, eine schwierige Geschichte in sich.

Der Ermittler verfolgt die Brandstifterin im Auftrag einer ungenannten Agentur. Doch sie ist dem Ermittler in ihren Zügen eindeutig voraus. Er verschafft sich mit gefälschten Ausweisen Zutritt zu Bibliotheken, um aus Kriminalromanen ihre geheimen Botschaften einzusammeln. Er bricht in ihr Haus ein, findet ihr Privatmuseum und Steckbriefe, auf denen sie gesucht wird. Doch sie entzieht sich ihm, nur um ihn dann wieder zu einem Treffen zu locken. Bei all den gefährlichen Verwirrspielen gehen die beiden aber fast schon zärtlich miteinander um. Das ist, wenn man so will, die kleine Geschichte, die sich innerhalb der Verschiebung großer gesellschaftlicher Realitäten abspielt.

Thomas Ballhausen, Lob der Brandstifterin, Cover
Verlag Edition Atelier

dieZeitschrift: Die große Geschichte ist die Apokalypse?

TB: Der Bühnenraum der Erzählung ist ein apokalyptischer Raum, eine Verfallsphantasie mit unklarem Ausgang. Ich gehe der Frage nach, was passiert, wenn ein System verschwindet und ein neues auftaucht. Was passiert in den interimistischen Phasen, während ein System nach und nach zerbröckelt, aber das andere seinen Platz noch nicht eingenommen hat? Diese Frage durchzieht die Handlung und durchdringt die Geschichte der Protagonisten.

dieZeitschrift: Ist das Schreiben ihre Art, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen?

TB: Schreiben und Texte sind meiner Ansicht nach Lebensnotwendigkeiten und kein Luxus. Aber sich mit dem Vorsatz hinsetzen, so jetzt schreib ich Weltliteratur, das funktioniert für mich nicht. Das Schreiben ist meine Art, politische und soziale Dinge zu reflektieren. Ich habe es einmal etwas unvorsichtig formuliert: Mein Schreiben ist das Beste an mir. Ich habe mich ganz bewusst entschieden, dass das Schreiben meine Ausdrucksform sein soll. Es ist mein künstlerischer Weg, mit der Welt umzugehen.

Factbox

Lesung: 19. Dezember 2013

Thomas Ballhausen - Lob der Brandstifterin
Erzählung TEXTLICHT-REIHE
Mit einem Nachwort von Jack Hauser
60 Seiten, Paperback
7,95 Euro
Erschienen bei:

dieZeitschrift: Wie geht die Welt mit Ballhausens Schreiben um?

TB: Am Anfang war es, wie wenn ein Pfadfinder Kekse verkaufen soll, die keiner wollte. Aber es wurde mit den Jahren besser. Ich habe den Eindruck, verstärkt als Schreibender wahrgenommen zu werden. Dennoch ist es immer noch ein Anflug von freundlicher Befremdlichkeit, als Autor oder Schriftsteller vorgestellt zu werden. Aber ich gewöhne mich gerne daran.

dieZeitschrift: Wie gehen Sie mit der Welt um?

TB: Höflich distanziert. In einer Kritik des Buches (Martin Thomas Pesl: Feuer und Flamme. In: bellelit 1/2013; d. Red.) war von „höflicher Umständlichkeit“ die Rede; das war wohlwollend gemeint, ich fühlte mich im besten Sinne ertappt. Und ich hab sehr lachen müssen.

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