Gustavo Allidi Bernasconi
Latin-Grammy

Hell of a story

Mittwoch, 17. Dezember 2014
Juan Sebastian Garcia-Herreros wurde als erster Bassspieler für den Latin Grammy 2014 nominiert. dieZeitschrift hat den kolumbianisch-österreichischen Musiker getroffen und erfahren, was er von Christina Aquilera gelernt hat, warum die USA seine Crowdfundingkampagne stoppte und wozu ihn Rasenmäher inspirieren.

Der kolumbianisch-österreichische Bassspieler Juan Sebastian Garcia-Herreros rennt am 24. September 2014 wie wild durch das Wiener Konzerthaus. Dabei war es eigentlich ein ganz normaler Tag für den Musiker. Er probt mit dem sechsfachen Grammypreisträger Randy Newman für den abendlichen Auftritt. Juans Managerin drückt pausenlos den Refresh-Knopf an ihrem Computer, bis endlich das lang erwartete E-Mail eintrifft. Juan ist als erster Bassspieler für sein in Österreich komponiertes und produziertes Album „Normas“ für den "Best Latin Jazz Album"- Grammy 2014 nominiert.

Theresa hebt den Daumen und rennt aufgeregt die Sitzreihen entlang. Randy Newman fragt Juan, was in seine Managerin gefahren ist. Die Nachricht dringt bis zur Bühne durch und die Musiker springen vor Freude. Juan fragt: „Darf ich laufen?“. Alle nicken. Er dreht glückliche Runden durch das Konzerthaus. Vor 28 Jahren hätte er nicht geglaubt, jemals für den Latin Grammy nominiert zu sein. Da wohnte er noch in Bogota, Kolumbien.

Damals packte seine Mutter die Koffer in Bogota. Es war zu gefährlich geworden. Ein Drogenkrieg tobte, die Kinder durften nicht mehr auf der Straße spielen und Banden erpressten Schutzgeld von Eltern, damit ihre Kinder nicht entführt werden.

Die Familie zog nach Queens New York City, in den Stadtteil Corona. „Die Nachbarschaft ist eine exakte Kopie von Bogota. Alle Schilder sind spanisch, es leben nur Kolumbianer dort,“ sagt Juan. Er begann Flöte zu spielen und wurde in die Queens College Honor Band aufgenommen. Er lernte Klavier spielen. Aber das Leben war nicht einfach in Corona. „Also beschloss meine Mutter zu ihrer Familie in Clearwater, Florida, zu ziehen.“

"Bass ist das langweiligste Instrument"

Der kolumbiansch-österreichische Bassist Juan Sebastian Garcia Herreros
Gustavo Allidi Bernasconi
Juan Sebastian Garcia Herreros

Juans Bruder begann Schlagzeug zu spielen und sagte zu ihm: „Ein Schlagzeugspieler braucht einen Bassspieler.“ Juan antwortete: „Niemals, Bass ist das langweiligste Instrument.“ Er ließ sich dennoch überzeugen.

Die Familie hatte kein Geld für die musikalische Ausbildung ihrer Söhne. Aber die nahe gelegene Dunedin-Highschool bot kostenlosen Musikunterricht an. „Ich hatte kein Geld für einen eigenen akustischen Bass. Die Musiklehrerin sah, wie hart ich mit dem Schulinstrument übte und gab mir illegalerweise den Schlüssel zur Schule oder ließ das Fenster zum Probenraum offen. Ich schlich mich um drei Uhr morgens in die Schule. Ich durfte das Licht nicht einschalten, das hätte jemand sehen können und ich wäre sicher verhaftet worden. Also lernte ich blind Bass spielen.“

Die Lehrerin war es auch, die Juan, dem Leiter der Tampa Bay Symphonie empfahl: „Du musst dieses Kind anhören, es ist besessen.“ Juan spielte vor. Der Leiter gab ihm Noten, die konnte Juan nicht lesen. Also spielte er stundenlang Musik von Kassetten ab und übersetzte gehörte in geschriebene Noten. Mit 16 Jahren wurde er ins Orchester aufgenommen. Zwei Jahre später gewann er das Scholarship for the Berkley Academy for Music. Er spielte bis zu zwölf Stunden pro Tag, bis die Finger bluteten.

Die sechsseitige Kontrabassgitarre

Der kolumbiansch-österreichische Bassist Juan Sebastian Garcia Herreros
Gustavo Allidi Bernasconi
Juan Sebastian Garcia Herreros

In Berkley sah er ein Konzert des Michel Camilo Trio und verliebte sich in die sechsseitige Kontrabassgitarre von Anthony Jackson. „Plötzlich wusste ich, was ich mein ganzes Leben vermisst hatte. Mit dem Instrument kann man Rhythmus, Chords und Melodien spielen. In der Sekunde, als ich das Instrument sah, hörte ich auf, akustischen Bass zu spielen und widmete mich nur mehr der sechsseitigen Kontrabassgitarre.“

Jahre später, als er schon in Wien wohnte, traf Juan den Instrumentenbauer Andreas Neubauer. Dieser baute eine sechsseitige Kontrabassguitarre für ihn. „Wir tüftelten zehn Jahre lang, designten eine Serie, und jetzt kaufen sie Leute auf der ganzen Welt.“

Der Rasenmäher

Der kolumbiansch-österreichische Bassist Juan Sebastian Garcia Herreros
Gustavo Allidi Bernasconi
Snow owl

„Nach einem Jahr in Berkley Boston sagte mein Lehrer zu mir: ‚Du bist schon ein Spieler, du brauchst kein Abschlusszeugnis, geh und spiel‘!“ Das tat er. Er trat mit Elton John, Al Jarreau und Christina Aquilera auf. Es war eine große Herausforderung für den leidenschaftlichen Improvisierer, Popsongs exakt nach Vorgaben zu reproduzieren.

„Christina Aquilera hat einen sehr harten Job und steht unter enorm hohen Druck: sie muss perfekt singen, immer gut ausschauen und großartige Shows zeigen. Ich lernte von ihr, wie man eine erfolgreiche Show konzipiert: Wie einen Live-Hollywood-Film vor tausenden Fans.“

Aber er wollte nicht mehr der Sideman sein, sondern sich auf seine Solokarriere konzentrieren. Man bot ihm einen Job auf der Hochschule für Musik in Graz als E-Bass-Professor an. Juan nahm an, fand sofort Freunde und Unterstützung. Die erfahrene Hilfe gibt er weiter. Er geht als Integrationsbotschafter in Schulen, spricht und spielt mit Kindern.

„Ich bin Colaustrian und stolz auf meine kolumbianischen und österreichischen Wurzeln.“ Eine schöne Melange. Genauso wie seine Musik: Latin Jazz mit afrokaribischen, afrikanischen und europäischen Elementen. Die Inspiration für seine Kompositionen holt er sich von Gefühlen, Melodien, Basslines, Riffs, Geräuschen und Rasenmähern.

„Eines Nachmittags schlief ich und der Nachbar mähte seinen Rasen. Ich hörte aber nur ein „g“ und schrieb den Song mit dem Titel „Sadjouma”. Der bedeutet Schneeeule auf Bambara, einer Sprache in Burkina Faso. Snow Owl ist Juans indianischer Name. Daher auch der Bandname.

Latin Grammy

Das Komitee schickt ihm eine Einladung zur großen Latin-Grammy-Gala, bucht ihm eine Suite im Luxushotel. Doch Juan fliegt nicht nach Paradise Nevada sondern nach Spanien, um ein Konzert zu spielen. Anstatt mit den anderen nominierten Latin-Jazz-Größen Chick Corea, Paquito D'Rivera, Arturo O'Farril und Luisito Quintero in der MGM Grand Garden Arena auf die Bekanntgabe des Gewinners zu warten, geht Juan mit seiner sechsköpfigen Band in ein kolumbianisches Restaurant in Barcelona, um die Verleihung zu sehen.

„Ich werde den Moment nie vergessen, als sie meinen Namen sagten“, erzählt Juan. Bis heute fehlen ihm die Worte, das Gefühl dieses Moments zu beschreiben. „Millionen von Leuten sahen und hörten meinen Namen, das war für mich wie gewinnen.“ Er erhielt ein Mail und eine Medaille für den zweiten Platz.

Havanna

Heute treten Juan und seine Band als Vorgruppe zu Issac Delgado im Casa de la Cultura beim Havanna Jazzfestival auf. „Es war ein Jahr harte Arbeit“, sagt Juan, „wir haben die Reisekosten über Crowdfunding auf unserer eigenen Webseite eingesammelt. Denn die amerikanische Regierung stoppte meine Indiegogo-Kampagne.“ Das Wort Kuba kam vor. Seit 1960 existiert das Embargo der Vereinigten Staaten gegen Kuba.

Ein Anwalt teilte Juan mit, dass die Kampagne eingefroren ist. Es wurde noch seltsamer. Zwei der Bandmitglieder haben amerikanische Pässe. „Ich musste eine Gebühr bezahlen, damit sie nach Kuba reisen dürfen. Ich überwies den beiden das Geld mit dem Vermerk: Kuba. Sofort wurde mein Paypal-Konto gesperrt.“ Aber 125 Fans aus Malaysia, USA, Kanada, Russland, Österreich, Kolumbien und Deutschland überwiesen insgesamt 10.000 Euro um die Reise zu ermöglichen.

Tourdaten und weitere Informationen

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