Erst gegen Ende der 80er gab es eine bestimmte Konsolidierung der Musiklandschaft. Walter Eschgfäller und Willy Vontavon gründeten den Verein "Liederszene Südtirol" und gaben Protagonist_innen verschiedener Stilrichtungen erstmals die Chance Platten einzuspielen und auf größere Konzerttourneen zu gehen.
Gute-Laune-Lied
Dass mir Georg Clementi ein Begriff war, lag weniger an meinen musikalischen Interessen - wir gehörten damals eher zur "härteren" Fraktion. Aber man sog halt alles auf, was nicht Volksmusik war, und Clementi, der "singende Poet", war gegen Ende der 80er einer der zentralen Musikanten der "Liederszene" - und stand damals immerhin mit Reinhard Fendrich auf der Bühne. Sein "Frühling in der Stadt" war unser Gute-Laune-Lied, damals, Ende der 80er.
Die Chefin sagt ....
Letzte Woche, Rezensionsauftrag von der Chefin. Als mir aus einem Paket die CD "Zeitlieder 3" entgegenkugelt, braucht es ein Weilchen, bis ich den sympathisch dreinschauenden Glatzigen vom Cover mit dem langlockigen Liedermacher aus meiner Jugend in eins bringe. Den Namen kenne ich doch. Pause. Das ist doch - Den gibt's noch? Ich lese nach, was seitdem geschah: Musical- und Kabarettproduktionen, Schauspielstudium, Salzburger Landestheater, Talksendung im Salzburger ORF-Radio. Plötzlich geht mir auf, wieviel Zeit seitdem vergangen ist - und wieviel sich verändert hat. Die Underdogs von damals sitzen längst an kulturellen Schaltstellen - an Theatern, in den Medien, im Kulturmanagement.
A3
Egal, CD rein. Schon beim ersten Lied (Auf der A3) vereint sich das Glatzengesicht mit dem Lockenjüngling: ja, das klingt vertraut. Auch, wenn die Themen - no na ned - aktuelle sind: Flüchtlingsdramen (Auf der A3, Flügellos), Gesellschaftskritik (Der Erbe, Fairtrade Kaffe, Loblied auf die Farbe Grau), aber auch - wie ehedem - unkonventionelle Liebeserklärungen (Keine isst wie Du, Lied einer alten Frau und - etwas kontrovers - Küsse die Hand).
Lazerus und der Herrgott
Die Themen der Lieder geben auch den CD-Titel vor: sämtliche Texte sind von Fundstücken aus der Wochenzeitung "Die Zeit" inspiriert. So geht es um syrische Familien auf deutschen Autobahnen, um die Selbsterkenntnis Privilegierter, die Kritik am Schwarzweißdenken und um die Sehnsucht nach einer Zeit, wo ökologische Lebensführung noch genügte, um sich auf der richtigen Seite zu wähnen. Und um einen Lazarus, der dem Herrgott vorwirft, er habe ihn nur aus Eigeninteresse ("dass der letzte Zweifler auch noch glaubt an dich") auferweckt.
Die teils herrlich skurrilen Texte werden durch die Kompositionen des Multiinstrumentalisten Tom Reif und der Akkordeonspielerin Sigrid Gerlach, beide langjährige Mitstreiter_innen, gekonnt in Szene gesetzt - mal mit Tango-Akzenten, mal klassischem Chanson-Flair.
Insgesamt ist das Album eine runde Sache, ironisch, kritisch, aber stets von einer verspielten Leichtfüßigkeit. Wie es sich für einen singenden Poeten gehört.
Am 10. November präsentiert Clementi die "Zeitlieder 3" im Salzburger Landestheater.