Fabian Wentzel
Mobilität

Mein Kumpel, der Scooter

Donnerstag, 6. November 2014
Der neue Elektroroller Scuddy wird von einem modernen Hochleistungsakku versorgt und verwandelt sich nach ein paar Handgriffen in einen Trolley oder eine transportierbare „Box“. Seit ein paar Tagen ist die deutsche Erfindung auch in Österreich am Markt.
Scuddys in Kiel
Fabian Wentzel
Scuddy als Trolley

Es fühlt sich an, wie wenn ich durch die große Parkgarage schweben würde. Ich muss nicht treten, wende mit einfachen Gewichtsverlagerungen, und gebe durch eine leichte Drehbewegung der rechten Hand Gas. Ein paar Runden fahre ich noch im Sitzen, dann traue ich mich auch im Stehen. Heute darf ich einen Scuddy testen. Das Wort setzt sich aus Scooter und Buddy, also Kumpel, zusammen.

Scuddy-Händler Martin Kerschl fährt zur Sicherheit knapp hinter mir. „Jetzt nehmen wir mal an, sie wollen mit dem Roller in den Bus steigen,“ sagt er nach der Probefahrt. Er schraubt zackig den Sattel ab, kippt das Trittbrett nach vorne, und deaktiviert die Lenkung. Danach zieht er das Fahrzeug wie einen Koffer hinter sich her. Ich versuche es ebenfalls und stelle fest: „Definitiv leichter als mein Reise-Trolley.“

Patentierter Faltmechanismus

Scuddy, Helmut Fink-Neuböck
Alexandra Gruber
Helmut Fink-Neuböck

Der Scuddy ist geräuschlos, abgasfrei, wendig und fährt bis zu 35 km/h. Er schafft größere Steigungen problemlos, steht stabil und wiegt 27,5 Kilo. Der Fahrer kann entscheiden, ober er im Sitzen oder Stehen fahren will. Gesteuert wird der Roller durch leichte Gewichtsverlagerung. Sein Hochleistungsakku lässt sich bei jeder Steckdose aufladen und hält bis zu 30 Kilometer lang. Mit ein paar Handgriffen kann man das Gerät zusammenklappen, um es in Innenräume mitzunehmen oder in einen Kofferraum zu legen. Fährt man mit Bus oder Bahn, baut man es am besten zu einem Gepäckstück um und muss nicht extra eine Fahrkarte wie bei einem Fahrrad lösen.

Entwickelt wurde der Scuddy von den Kieler Maschinenbauern Tim Ascheberg und Jörn Jacobi. Zweieinhalb Jahre haben die Deutschen an dem innovativen Gerät getüftelt. Einige Funktionen ihrer Erfindung ließen sie sich patentieren, unter anderem den Faltmechanismus. Seit kurzer Zeit produzieren sie in ihrer Werkstatt in Kiel. Ungefähr seit einer Woche ist das Gerät auch in Österreich erhältlich.

Scuddy fahren in Österreich

Scuddy, Welser Messe
Alexandra Gruber
Scuddy auf der Welser Messe

Als der Niederösterreicher Martin Kerschl Mitte Oktober auf der Caravan-Messe in Wels wieder einmal auf der Suche nach interessanten Artikeln für seinen Online-Versandhandel T43B.com war, entdeckte er zwischen den Massen von Wohnwagen- und Campingzubehör-Ausstellern die beiden Kieler mit ihren Scuddys. Die wiederum hielten Ausschau nach einem österreichischen Händler für ihr Produkt.

„Mein Geschäft ist nicht sehr groß, ich kann mir das Marketing der großen Ketten nicht leisten. Daher bin ich immer auf der Suche nach qualitativen Nischenprodukten,“ erzählt der Händler aus Bruck an der Leitha. Von den Scuddys war er so begeistert, dass der ehemalige Manager aus der IT -Branche mit Ascheberg und Jacobi ins Geschäft kam und sich die Generalvertretung für Österreich, die Slowakei und Tschechien sicherte. Vor ein paar Tagen hat er den ersten Scuddy verkauft, wahrscheinlich sogar den ersten in ganz Österreich.

Kreative Geschäftsideen

Scuddy, Martin Kerschl, Helmut Fink-Neuböck
Alexandra Gruber
Kerschl, Fink-Neuböck

Kerschl und sein früherer Arbeitskollege und jetziger Partner Helmut Fink-Neuböck haben noch viele Pläne mit dem Elektroroller. „Als mir Martin von den Scuddys erzählt hat, haben wir sofort eine Menge kreativer Geschäftsideen entwickelt,“ sagt Fink-Neuböck. „Unsere Vision ist eine international tätige Firma, die auf Elektromobilität spezialisiert ist,“ erklärt Kerschl. „Die Scuddys sind die Basis, aber es soll auch fahrbare Alternativen für Menschen geben, die nicht mehr so mobil sind. Oder für den Transport von Kindern.“ Eine dieser Alternativen haben sie heute mitgebracht. Das Fahrzeug heißt Freeliner und kommt aus der Schweiz. Es fährt 20 km/h, hat drei Räder und Platz für Einkäufe oder einen Kindersitz. „Meinem dreijährigen Sohn macht das Mitfahren sehr viel Spaß. Und im Gegensatz zu einem Fahrrad fällt dieser Roller nicht jedes Mal fast um, wenn meine Frau ihn aus dem Sitz hebt,“ erzählt er.

Für Stadt und Land geeignet

Scuddy, Martin Kerschl
Alexandra Gruber
Nur ein paar Handgriffe nötig

Die Zielgruppe der beiden ist weit gestreut. Der Scuddy wäre für Stadt und Land gleichermaßen vorteilhaft, sagen sie. Der Urbane brauche seinen fahrbaren Untersitz nicht mehr auf der Straße stehen lassen, der Landbewohner hätte keine Probleme mehr mit Steigungen. Kerschl glaubt auch, dass sich vor allem Camper für den Scuddy interessieren könnten, da er ganz leicht in einen Wohnwagen passen würde. Fink-Neuböck hingegen denkt an die langen Lagerhallen von großen Firmen. „Arbeitszeit kostet Geld. Wenn ein Angestellter schneller von A nach B kommt, bringt das auch dem Unternehmer etwas.“

In der Zwischenzeit kann man sich in Österreich ausschließlich bei T43B einen Scuddy kaufen. Wobei wir beim vielleicht einzigen Nachteil sind: Das Fahrzeug ist nicht gerade billig. 4500 € kostet ein Gerät. Kerschl zuckt mit den Schultern. „Mir ist klar, dass sich nicht jeder einen Scuddy leisten kann. Aber die Produktion vorerst kleiner Stückzahlen ist noch sehr teuer. Das Gerät ist halt deutsche Qualitätsarbeit. Es wird in Kiel produziert und nicht in China.“

Für das Fahren mit dem Scuddy ist zumindest ein Moped-Führerschein und das Tragen eines Helms verpflichtend

Scuddy-Vertretung in Österreich
scuddy.de

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