Sláinte

Muss man einem Iren „I würd’ di unhamlich gern ficken, während du fliegst“ beibringen, ist das harte Arbeit. Vor allem nach fünf spendierten Guinness.

Natürlich heißt Paddy MacMurphy nicht Paddy MacMurphy. Welcher irische Vater würde seinen Sohn Patrick nennen, wenn er bereits ein MacMurphy ist? Außer vielleicht, beide Eltern sind bei der IRA, und die grüne Nation kommt bei ihnen gleich hinter Gott. Oder sogar noch vor Gott. Egal, irischer als der Paddy MacMurphy, der mir gegenübersitzt, kann kein Mensch aussehen. Und er zahlt mir schon das vierte Guinness. Gut so, denn ich bemühe mich wirklich nach Kräften. Muss ihm unbedingt „I würd’ di unhamlich gern ficken, während du fliegst“ beibringen. Das ist harte Arbeit! Er stellt sich ganz gut an, schafft das „würd’“ aber einfach nicht. Das „während“ geht zur Not mit „e“ durch. Ist einfacher. Prost! Oder Sláinte, wie Paddy sagen würde, wäre er seiner IRA-Eltern würdig. Hat auf Facebook eine Stewardess aus Wien kennen gelernt und will sie nun beeindrucken. Mit Austrian Slang! Ganz schön hart, wenn man kein Wort Deutsch spricht. Der Satz war übrigens seine Idee.
Zuerst wollte er „In 12.000 metres“ mit ihr ficken. Das haben wir aber gleich gestrichen. Wegen „zwölf“ und „Höhe“. „Über den Wolken“ geht schon gar nicht. Dieses leidige „ü“!
Das „würd’“ klingt auch beim 37. Versuch noch wie „wörd“. Das fünfte Guinness. Sprachtraining kommt ganz schön teuer. Aber ich bin wirklich sehr geduldig. Dabei hätte ich auch anderes zu tun. Mit dem Pianischten reden etwa. Der schläft daneben am Tisch, haucht auf sein halbleeres Weinglas. Ich stelle es in die Tischmitte, weit weg von ihm. Wäre schade. Wenn er aufwacht, ist er sicher durstig.
„I wörd‘ di unhahmli gern…“ Das wird nichts mehr. „Wörd… wuörd… shit!... wuürd“.
Uiuiui, obacht! Vielleicht versuchen wir‘s ab jetzt mit „Ü wüllat dü ünhamli gürn…“?
Nein, Geduld! Besser erst beim sechsten. Beim zehnten dann könnten wir’s immer noch mit „I tatat di unhamli gern…“ probieren und sparen uns damit sämtliche Umlaute. Man muss den Menschen ihre Erfolge gönnen.

Der Trinker würde sich selbst nie Alkoholiker nennen. Denn sein Bier schmeckt ihm nur in guter Gesellschaft. Ansonsten hält er es mit George Bernard Shaw: „Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.“ Geboren tief im Süden, im Jahre Woodstock, lebt er seit bald zwanzig Jahren in Wien. Wie alle „Zuagrasten“ aus der Provinz wollte er diese hier vergessen. Nüchtern gelingt das nur schwer, trägt doch jeder seine ganz persönliche Provinz mit in die Hauptstadt, wo sie dann auf die gelebte Provinz der Wiener trifft. Erst Alkohol weicht die Grenzen auf, beseitigt Hürden der Vernunft und lässt entstehen, was eine Weltstadt ausmacht: Freiheit. Er würde sich selbst nie Alkoholiker nennen. Trinken ist für ihn ein Spiel mit der Realität, Wahnsinn auf Zeit, Eintrittskarte zu einem Schauspiel, wo Absurdes Theater nüchternen Alltag von der Bühne fegt. Wenn dann Masken und Etikette fallen, wird alles möglich und der Mensch lässt sich nicht länger verstecken. Auf die Begleitung seines Hirns muss man dort verzichten, und der Bauch spricht eine völlig andere Sprache als der Kopf. Die wichtigsten Dinge im Leben, davon ist er überzeugt, muss man fühlen, rational lassen sie sich nicht erfassen. Wie also nüchtern diese Welt betreten, mit unseren durch Jahrtausende der Zivilisation verkümmerten Sinnen? Unmöglich! Was hätte die Menschheit ohne Alkohol schon vollbracht? Es gäbe wohl nur die halbe Kunstgeschichte, wahrscheinlich die schlechtere Hälfte. Grenzen sind Illusion, das hat er erkannt, aber auch, dass Grenzenlosigkeit in die Leere führt. Sein Bier schmeckt ihm erst in guter Gesellschaft, und ist sie wirklich gut, dürfen Runden auch weit länger dauern als bis zum frühen Morgen. Künstler, Lebenskünstler, echte Wiener und andere Wahnsinnige, sie alle bevölkern seine Reise entlang dem schmalen Grat zwischen Sucht und Abstinenz.