Vor mittlerweile dreißig Jahren traf sich eine Gruppe von Comiczeichnern zum ersten Mal im dunklen Hinterzimmer eines Lokals im ersten Bezirk. Man tauschte sich über Comics aus, sprach über Geschichten, Ideen und mögliche Wege zur Veröffentlichung. Auch Michael Wittmann, hauptberuflich Jurist, war dabei. Er hatte gemeinsam mit Robert Jazze Niederle und Kollegen drei Hefte mit den Abenteuern des Privatdetektivs Elmer herausgebracht, anomym und in schwarz-weiß. Damals, in den Zeiten vor Computer und Digitaldruck, war der Arbeitsaufwand noch wesentlich höher: die Zeichner arbeiteten mit Fotokopien, wo sie die Linien händisch nachzogen, oder lieferten gar die Originale beim Verlag ab. Trotzdem lagen viele Hefte wie Blei in den Regalen der Buchhandlungen.
Als Mitte der 90er-Jahre das Zentralorgan der Wiener Szene, das „Comic Forum“ eingestellt wurde, standen viele Zeichner ohne Publikationsmöglichkeiten da.
Das hat sie nicht abgehalten, weiterzuzeichnen.
Der Wiener Illustrator, Storyboard- und Comiczeichner Heinz Wolf zeichnete immer schon gerne „lustige Manderln“. Seit er mit zwölf Jahren seinen ersten Comic in einer Schülerzeitung veröffentlicht hatte, überlegte er, ob er „Manderln zeichnen“ zu seinem Beruf machen soll. Er tat es und zeichnete viele Jahre für das Wochenmagazin „Die Ganze Woche“ Cartoons und Illustrationen. Gemeinsam mit Österreichs momentan bekanntestem Comiczeichner Nicolas Mahler verlegte er Comichefte im eigenen Verlag „Edition Brunft“ und verkaufte sie in Automaten. Anfangs kopierten die beiden die Hefte selbst, in den 80er Jahren ließen sie in günstigen Druckereien in Tschechien drucken. Doch die erste Druckerei ging bankrott, die zweite wurde nach einer Polizeirazzia geschlossen, weil sie angeblich nicht auf „sozialistischem Papier“ gedruckt hätten. Schließlich verlegten die beiden die Produktion in die Slowakei. Die Nachfrage war verhalten, und so stapeln sich noch heute Stöße des ambitionierten Projekts in Heinzs Wohnung. „Ich verwende sie heute, um Pakete einzuwickeln“, lacht er. Richtig Geld haben sie nie damit verdient. „Man kann und konnte in Wien, mit ganz wenigen Ausnahmen, als Comiczeichner nicht überleben“, sagt Wolf.
Putschversuch am Stammtisch
Auch der Wiener Zeichner Peter Klinger hat einen Brotjob. Nebenher zeichnet er aber mit Passion, seit er einen Stift halten kann. Drei Jahre lang arbeitete er an der mittelalterlichen Roadmovie-Geschichte „Die Unglaublichen Abenteuer der Herren König und Baron“. Als er keinen Verlag fand, brachte er den minimalistischen und sozialkritischen Comic selbst heraus.
Dabei gibt es in Österreich durchaus eine Comic-Tradition: In den 1920er Jahren erschienen in Zeitungen ganzseitige Comics für Erwachsene, zum Beispiel die Geschichte der Familie Riebeisl oder jene des Grantl-Meisters Tobias Seicherl als der weltweit erste täglich erscheinenden Kurz-Comic. Der Strip, der in der roten Boulevardzeitung „Das Kleine Blatt“ erschien, erzählte die Geschichte eines Wienerisch sprechenden Kleinbürgers, der dem Austrofaschismus und später Hitler zugeneigt war. Nur sein Hund „Struppi“ versuchte, natürlich vergeblich, sein Herrl zur Vernunft zu bringen. Die Figur war in Wien so berühmt, dass die Leute ihr im Winter Denkmäler aus Schnee bauten. Die sozialdemokratischen Leser der Zeitung amüsierten sich über die Missgeschicke der Figur, die als stets betrunkener Frühpensionist und Junggeselle politisiert und am Stammtisch gar einen Putschversuch ausheckt.
Zur Gründung des Tisches 14 vor drei Jahren kam es eher aus Bequemlichkeit: Heinz Wolf besuchte bis dahin einen Stammtisch im Ersten, traf sich vorher aber oft mit Nicolas Mahler im Rüdigerhof; meistens schaffte man es nicht mehr in die Innenstadt und beschloss deshalb, das monatliche Treffen gleich in den Rüdigerhof zu verlegen. Seither treffen sich dort zwischen 30 und 40 Zeichner.
„Alles für die Katz“
Sie zeigen sich gegenseitig ihre Arbeiten, besprechen diese und bereiten gemeinsam die nächste Ausgabe des Comicalbums „T14“ vor. In den nächsten Tagen kommt bereits die fünfte Ausgabe mit dem Titel „Alles für die Katz“ auf den Markt. Seit der Digitaldruck erschwinglich wurde, sind Kleinauflagen und Selbstverlag möglich. „Jetzt gibt es wieder eine lebendige Comicszene“ sagt der zeichnende Jurist Wittmann. „Das Interesse bei den Lesern steigt wieder. Es ist die Unmittelbarkeit der Leseerfahrung von Bild und Text, die die Faszination ausmacht.“
Die Motivation ist für jeden unterschiedlich: „Ich krieg einen Kick und dann zeichne ich“ sagt André Breinbauer. Für den Absolventen der Angewandten in Wien sind Comics die perfekte Kunst, eine Geschichte zu erzählen. Zum Beispiel jene, wo er selbst sich einen Plan zurechtlegt, Papst zu werden, wozu es letztlich aber nicht kommt. „Erst die Zeichnungen macht eine Geschichte komplett, weil die Leser ihre eigenen „Zwischenbilder“ in die Story hineinprojizieren“, sagt er.
Er möchte den Stammtisch nicht missen: „Erst hier sieht man, wie viele Zeichner und Ideen es gibt. Dabei sind die Treffen eigentlich unspektakulär: wir trinken, reden und die neuen Zeichner wollen von den alten Zeichner lernen“, sagt Beinbauer. Dennoch wird auch heftig diskutiert: Eine der Hauptstreitfragen im Computerzeitalter ist jene von Handzeichnung versus Computerzeichnung. Beinbauer ist im Gegensatz zu anderen sogar dagegen, die Sprechblasen mit dem Computer zu füllen. Er meint, Comics müssen mit der Hand gezeichnet und auch geschrieben werden.
Odyssee, Sex und Katzen
Factbox
Termine:
Das Katzencomic wird am 27. März beim Comicfestival präsentiert.
Links:
Tisch 14
Michael Wittmann: Zeichenkurse
Andre Breinbauer: Zeichenkurse
Peter Klinger: Buchbestellungen: "Die Unglaublichen Abenteuer der Herren König und Baron“
Nicolas Mahler
Heinz Wolf
Andre Breinbauer
Weitere Wiener Comiczeichner:
Comicinsel
Franz Suess
Tisch14: Im Rüdigerhof jeden zweiten Mittwoch im Monat. Gratis und jeder Zeichner ist willkommen.
Dabei muss man gar nicht besonders gut zeichnen können, um Comics zu machen. Der Comic wäre schon ausgestorben, wenn man ihn am Zeichentalent festmachen würde. Breinbauer meint: „Wenn man die Geschichte versteht, sind die Zeichnungen nicht mehr so wichtig. Die Abstraktion ist auch ein Mittel, denn ein zu realistisches Comic regt die Phantasie weniger an. Je abstrakter die Figur ist umso mehr denkt man sich hinein, es ist wie ein Platzhalter für die Phantasie.“ Er arbeitet seit 18 Monaten an seinem Großprojekt „Die Odyssee in der Jetztzeit“. Vor ihm liegt eine Mappe mit seinen Zeichnungen. Breinbauer hat das Cover für die neue Ausgabe des Tisch-14-Buches gemacht. Es geht um Katzen, deren großartiges leben, deren unfreiwilligen Abenteuer mit Kaugummi und deren wahren Beziehung zu Mäusen. Die sechste Ausgabe ist schon in Vorbereitung. Der Wiener Comic ist wieder im Aufwind. Diesmal geht um Sex.