Marliese Mendel
Ostbahn Kurti

Dr. Trash und Mr. Jive

Samstag, 11. Januar 2014
Peter Hiess schrieb gemeinsam mit Ostbahn-Kurti-Erfinder Günter Brödl Musikkolumnen und Krimis. Hiess erzählt, wie Brödl ihn zum Punk machte, warum Mr. Jive der Bruder vom Trainer Ostbahn-Kurtis ist und was Brödl von ihm über Giftmorde wissen wollte. [Teil des Stadtspaziergangs mit Kurtologen](http://www.diezeitschrift.at/content/auf-den-spuren-von-guenter-broedl-und-ostbahn-kurti)

Peter Hiess ist Journalist, Lektor, Autor, Rezensent, Übersetzer, Verleger (EVOLVER BOOKS) und Musikliebhaber. Schon als Jugendlicher hörte er die Ö3-Sendung „Musicbox“ und bewunderte Brödl aus der Ferne. Eines Tages legte Brödl eine Punkplatte auf und Hiess beschloss daraufhin, Punk zu werden – der damals einzige im 20. Wiener Gemeindebezirk. Er stach sich Sicherheitsnadeln durch Wangen und Ohren und färbte sich die Haare rot. Er gründete Fanzines und schrieb ab 1983 „Skandal-Stories" im ÖH-Express. Zwei Jahre darauf wechselte er zum WIENER, wo er heute noch die Kolumne „Depeschen an die Provinz“ schreibt.

Spezialist für Serienmörder und Verschwörungstheorien

Günter Brödl, Ostbahn-Kurti, Stadtspaziergang, Peter Hiess
Ronald Putzker

dieZeitschrift: Wie haben Sie Günter Brödl kennengelernt?

PH: Ich kam 1985 zum Wiener. Günter Brödl schrieb damals schon für das Magazin. Nach Abgang des Chefs der Musikredaktion wurde ihm der Job angeboten. Er sagte: „Ich hab’ schon viel zu tun, aber ich mach’s mit dem Peter zusammen.“

dieZeitschrift: Wie kam es zu Dr. Trash & Mr. Jive?

PH: Wir dachten uns, normale Musikrezensionen schreiben ist fad. So erfanden wir Dr. Trash und Mr. Jive. Für Dr. Trash war ich, als Spezialist für Serienmörder und Verschwörungstheorien, das Vorbild: Dr. Trash war der zwidere Privatgelehrte und Privatmann, von dem man nie wusste, wovon er lebt. In Zeiten vor dem Internet hat er schon seltsames Wissen gesammelt und irgendwelche undurchsichtigen Aufträge für Leute erledigt. Ein Experte für Mord, Totschlag und Verschwörungstheorien sozusagen.

Die Figur des Mr. Jive war an Günter angelehnt. Mr. Jive war der geplagte, ans Heim gefesselte Familienvater, der im Herzen ein Rock 'n' Roller war. Dr. Trash hatte ihn deshalb immer am Schmäh. Später haben wir uns ausgedacht, dass Mr. Jive der anständige Bruder von Ostbahn-Kurtis Trainer ist. Der Trainer ist der, der wirklich in die Rock 'n' Roll-Welt gegangen ist.

Dr. Trash war der Realist, der wusste, dass die Menschen schlecht sind, während Mr. Jive glaubte, dass die Menschen in Wahrheit gut sind. So war es auch im wirklichen Leben. Günter war auf eine liebenswerte Art völlig weltfremd, er hat genial geschrieben, großartige Ideen gehabt, aber dass er zum Beispiel Einnahmen versteuern muss, hat er gern vergessen.

dieZeitschrift: Wie war die Zusammenarbeit mit Brödl?

PH: Bei den Plattenrezensionen setzten wir uns bei mir oder bei ihm am Neubaugürtel zusammen. Wir hörten stapelweise Platten und machten eine Flasche Whisky auf. Die Urfassungen der rund 30 Kolumnen waren teilweise 15 Seiten lang. Ich hab unsere Gespräche mitgeschrieben und zu Hause auf meiner Schreibmaschine abgetippt. Günter kürzte sie danach auf Kolumnenlänge.

Mord auf der Tanzfläche

Günter Brödl, Ostbahn-Kurti, Stadtspaziergang, Peter Hiess
Ronald Putzker
Trainer, Dr. Trash und Rikki

dieZeitschrift: Wie kam es zum gemeinsamen Krimiprojekt 1998?

PH: Schon für seine anderen Romane hat Günter mich gelegentlich gefragt, wie man einen Giftmord begeht oder solche Dinge. Ich habe das dann in meiner “Mordsbibliothek” für ihn recherchiert. 1995 ging ich dann das erste Mal zu einem Ostbahn-Konzert, zur Plattenpräsentation von „Espresso Rosi”. Dort hörte ich zum Beispiel das Lied „Die rote Anni und ihr Kavalier“ und halte es bis heute für einen der besten deutschen Songtexte, die es je gegeben hat. Und weil auf der Platte auch die Rikki vorkommt, sagte ich an dem Abend zum Günter: „Wir sollten gemeinsam einen Krimi schreiben, wo die Rikki als Nackttänzerin in der Peepshow umgebracht wird. Ein klassisches Locked-Room-Mystery – ein Mord auf der Tanzfläche, bei dem theoretisch alle Peep-Show-Kunden zuschauen können, aber niemand weiß, was passiert ist.“ Günter hat sich das gemerkt, aber es passierte eine Weile lang nichts. Bis der damalige Wiener-Chefredakteur ihn fragte, ob er nicht einen Ostbahn-Fortsetzungskrimi schreiben will. Günter wollte das mit mir machen, sozusagen als Ostbahn-Krimi-Side-Project. Und so wurde ich dieses eine Mal zum Krimischreiber.

„Das Geheimnis der toten Tänzerin “

Günter Brödl, Ostbahn-Kurti, Stadtspaziergang, Peter Hiess
Alexandra Gruber

dieZeitschrift: Wo habt ihr die Fortsetzungsgeschichte geschrieben?

Wir schrieben die ersten Kapitel von „Das Geheimnis der toten Tänzerin “ in einem Hotel im Hausruck mit gemütlichen Arbeitsraum und Kühlschrank. Einer hat in den Laptop getippt, während der andere nachdachte, um dann im fliegenden Wechsel zu übernehmen. So entstanden die ersten paar Kapitel in nur einer Woche.

Dann zog Günter aus steuerlichen Gründen nach Teneriffa. Die restliche Geschichte entstand per Fax und Telefon. Der Fortsetzungsroman erschien zwölf Monate lang im WIENER, die Illustrationen dazu zeichnete Ronnie Putzker. Wenig später bot sich der Eichborn-Verlag als Verleger an. Wir überarbeiteten also den Roman, mit ein paar Ezzes von Willi Resetarits, nach denen der böse Inspektor noch böser und der Polifka Rudl noch lustiger wurden.

„Der Günter ist tot“

Günter Brödl, Ostbahn-Kurti, Stadtspaziergang, Peter Hiess
Ronald Putzker

dieZeitschrift: Gab es noch ein weiteres Projekt?

PH: Ja, wir wollten ein zweites Buch schreiben. Ich hatte eine Idee, zeigte sie Günter, er schrieb noch was dazu und sagte, „das ist super, das machen wir“. Der Verlag war vom Exposé begeistert und hat uns sofort eine Anzahlung überwiesen. Wir planten im Herbst 2000 wieder irgendwo hinzufahren und den Roman zu schreiben. Aber dann rief mich eines düsteren Morgens Günters Frau Helga an und sagte: „Der Günter ist tot.“ Wenig später musste ich dann für den Standard einen Nachruf schreiben. So etwas ist schon schiach, wenn man sich ein paar Stunden nach dem Tod einer seiner allerbesten Freunde öffentlich an ihn erinnern muss.

Der zweite Trainer & Trash-Krimi ist übrigens bis heute nicht erschienen, aus diversen Gründen. Aber vor allem, weil das halt nur gemeinsam funktioniert hat.

Peter Hiess ist Herausgeber der Netzzeitschrift EVOLVER und Leiter des Verlags EVOLVER BOOKS. Dort bereitet er gerade eine E-Book-Edition des Brödlschen Gesamtwerks vor, die zum 60. Geburtstag des Autors im März 2015 erscheinen soll.

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