Camping

Wer sich nach dem Urlaub wirklich erschöpft fühlen will, sollte ihn am Zeltplatz verbringen.

Freundin Lisa war im Urlaub campen. Dank liebevollem familiären Druck verbrachte sie eine Woche kostengünstig in freier Natur. „Zuerst standen wir in der Schlange, um einzukaufen. Dann hockten wir am Boden, um zu kochen. Anschließend gingen wir einen Kilometer ins Badehaus, um das Geschirr abzuwaschen. Den Rest des Tages verbrachten wir damit, uns von dieser Prozedur zu erholen. Am nächsten Tag ging wieder alles von vorne los.“ Lisa glaubt, sie hat ein Camping-Burn-Out.
Lisa hat den Sinn von Camping nicht verstanden. Es geht nicht um Erholung. Es geht um... Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht um Erholung. Definitiv nicht.

Fragen wir Kumpel Andi. Er sagt, seine zutiefst martialischen männlichen Bedürfnisse würden nirgends mehr befriedigt als am Campingplatz. „Ich schlafe unter freiem Himmel, mache mit einem Dreizack Jagd auf Fische und pinkle im Wald.“ Seine Frau Anita würde lieber Polardorsch im Supermarkt kaufen. „Dann könnte Andi mal auf die Kinder aufpassen statt zu jagen und ich müsste nicht stundenlang Fisch entgräten. Nächstes Jahr will ich ins Hotel,“ sagt Anita.
„Nächstes Jahr fahren wir wieder campen. Anita braucht die Erholung“, sagt Andi.

Der leidenschaftliche Camper Franz meint, dass asoziales Verhalten am Zeltplatz viel schneller auffallen würde. „Jeder Gast ist für sein Wohl selbst zuständig und bringt Campingstuhl und Glas samt Inhalt mit. Schwarzsitzer und Schwarztrinker werden überführt und von der Gemeinschaft aufgefordert, ihr Fehlverhalten zügig zu korrigieren.“ Bei konsequenten Regelverstößen würde der asoziale Camper in Zukunft nicht mehr eingeladen. Worin die Einladung am Campingplatz genau besteht, wenn man doch alles selbst mitbringen muss, lässt Franz unbeantwortet.

Der Sinn des Camping erschließt sich mir noch immer nicht. Macht aber nichts, nächstes Jahr fahre ich eh selber. Dank liebevollem familiären Druck.

Alexandra Gruber schreibt und fotografiert für dieZeitschrift. Sie wohnt in Wien-Neubau, geht oft ins Cafe Europa und färbt sich seit jeher ihre Haare rot. Manchmal beschleicht sie die bange Ahnung, sie sei ein Bobo.