Koumpounophobie

Das Leben ist wie eine nie enden wollende Sonnenfinsternis.

Es muss ungefähr im Jahr 1978 gewesen sein, als Cousin Max mir boshaft ins Gesicht grinste, während er intensiv an einem leuchtend roten Plastikknopf lutschte. Zuerst übergab ich mich, dann verprügelte ich ihn, obwohl Max einen Kopf größer war als ich. Ekel kann Berge versetzen.

Schon als Kind grauste mir vor diesen abstoßenden runden Dingern. Sie waren überall. Lagen unvorteilhaft in Nähkörbchen herum, hingen an losen Fäden, verschandelten prinzipiell ansprechende Kleidung. Man konnte nirgends hinschauen, und sich dabei sicher fühlen. Und das Schlimmste daran: Niemanden außer mir schien dieser Umstand zu stören. Also richtet man sich im Laufe der Zeit in der feindlichen Umgebung ein. Nimmt einen Seidenschlafsack auf Reisen mit, damit man im Bett die Füße ausstrecken kann. Verabredet sich nur mit Männern, die gerne und oft T-Shirts anziehen. Vermeidet Jobs, bei denen Uniformen getragen werden müssen. Der restliche Teil des Lebens ist wie eine endlose Sonnenfinsternis. Man schaut nie direkt hin.

Der Fachausdruck für diese Abneigung ist Koumpounophobie. Das ist nicht ansteckend. Und auch sehr selten. Bedauerlicherweise. Hätte ich reichlich Leidensgenossen, würde es auf dieser Welt wahrscheinlich mehr Reißverschlüsse geben. Die sind sowieso viel effektiver in der Handhabung, aber wie üblich interessiert das wieder keinen.
Wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre ich lieber ein Anatidaephobiker. Diese Leute haben Angst, dass sie von einer Ente beobachtet werden. Enten sind in Wien viel seltener als Knöpfe. Und in gebratenem Zustand schauen sie eh nicht mehr.

Alexandra Gruber schreibt und fotografiert für dieZeitschrift. Sie wohnt in Wien-Neubau, geht oft ins Cafe Europa und färbt sich seit jeher ihre Haare rot. Manchmal beschleicht sie die bange Ahnung, sie sei ein Bobo.