Das Geburtstagsgeschenk

Angeblich erhalten gute Geschenke die Freundschaft.

Der Freundeskreis hat eine Krisensitzung einberufen, weil Robert bald Geburtstag hat. Robert hasst unsere Geschenke. Trotzdem lädt er uns jedes Jahr wieder auf seine Feier ein, um uns noch eine Chance zu geben. Er wünscht sich ein Geschenk, das gleichzeitig originell sowie praktisch im Alltag ist, ihn tief im Herzen berührt, mit einem charmanten Augenzwinkern seine Persönlichkeit widerspiegelt und etwas fürs Auge bietet. Wir scheitern jedes Jahr aufs Neue.
2009 fand er die Bücher über seine Lieblingsband enttäuschend, weil er über diese Gruppe „eh schon alles wusste“.
2010 ärgerte er sich über die extra von einem Künstler angefertigte hochpreisige Comic-Zeichnung seines Konterfeis, die wir auf ein T-Shirt drucken ließen.
2011 ließ er den Wellness-Massagegutschein verfallen.
2012 verstellte ihm der Tischfußballtisch den ganzen Platz im Wohnzimmer.
„Ihr macht euch zu wenig Gedanken und bemüht euch nicht richtig, weil ich euch komplett egal bin,“ jammert Robert alle Jahre wieder.
2013 wird er vierzig.
„Diesmal brauchen wir ein außergewöhnliches Geschenk“, sagt Lisa.
„Während Roberts Geburtstag bin ich heuer leider in der Karibik“, erzählt der unter Flugangst leidende Hans.
„Ich lasse mir in besagter Woche die Krampfadern entfernen“, sagt Martha und versteckt ihre makellosen Beine unter dem Tisch.
„Meine Oldies feiern an dem Tag Goldene Hochzeit“, behauptet Dietmar, dessen Eltern seit fünfzehn Jahren geschieden sind.
„Ein Haufen Lügner und Feiglinge seit ihr“, soll Lisa dann angeblich geschrien haben.
Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade dabei, das Lokal durch das Klofenster zu verlassen.

Alexandra Gruber schreibt und fotografiert für dieZeitschrift. Sie wohnt in Wien-Neubau, geht oft ins Cafe Europa und färbt sich seit jeher ihre Haare rot. Manchmal beschleicht sie die bange Ahnung, sie sei ein Bobo.