„Wem gehört der Rock 'n' Roll“
Das Musical wurde 1979 im Theater der Jugend aufgeführt. Eine junge Band wird gnadenlos vermarktet und stellt sich die Frage, wem den nun der Rock 'n' Roll wirklich gehört. Die Antwort gibt der Bühnenmeister Vickerl am Ende des Stücks: Er gehört allen. Das Musical dreht sich um vier wilde Vorstadtbuben – die Brezl-Brothers -, die in einem feuchten Proberaum Musik machen. Der schlechte Perkussionist und Schulabbrecher Alfred wird zum Manager und gerät in die Fänge der Musikmafia. Er verschafft der Gruppe einen Auftritt in einem berühmten Lokal. Dort werden sie von skrupellosen Musikmanagern entdeckt und zu einer Talenteshow geschickt. Anstatt des von den vermeintlichen Professionalisten vorgefertigten Liedes spielen sie einen eigenen Song, eine Persiflage auf das brutale Musikgeschäft. Die Brezl-Brothers gewinnen die Talenteshow.
Die Mitwirkenden:
Mario Bottazzi spielte den Manager Alfred und komponierte Teile des Musicals. Leo Koller schrieb einige Musikstücke und Peter Gruber führte Regie. Einige Bandmitglieder von „Erben Metzlutzkas“ spielten die Brezl-Brothers.
Das Stück wurde 1979 30 mal am Theater der Jugend aufgeführt. Die Zeitungen überschlugen sich mit hymnischen Kritiken. Sie schrieben von einer herrlichen Parodie auf das österreichische Musik-Business.
Es gab aber auch entrüstete Leserbriefe, in denen sich Eltern über Wörter wie „Arschloch, du Trottel und Scheiße“ beklagten. Auch eine harmlose Bettszene wurde kritisiert.
Wie Erich Götzinger zur Rolle des Ostbahn-Kurti kam
Mario Bottazzi erzählte seinem Freund Götzinger „Ich mache gerade die Musik für eine Geschichte mit dem Brödl. Da gibt es eine super Rolle für dich, wir nennen sie Ostbahn-Kurti. Er ist die Antithese zum kommerziellen Rockstar.“
Damals ließ sich Götzinger gerade die Haare und den Bart wachsen. Er sang für die Rolle des Che Guevara im Musical Evita vor. „Ich sah ein bisserl wild aus“, sagt Götzinger. Brödl scheint es gefallen zu haben, er engagierte ihn mit den Worten, „dich nehm ma, du passt“.
„Zu diesem Zeitpunkt hatte Brödl mit dem Schreiben des Musicals gerade erst begonnen. Doch der Aufführungstermin stand schon fest. Es gab eine einzige Nummer: 'A Oide mit'n Blues und des Bier' “, erinnert sich Götzinger.
Der Premierentermin rückte näher. Da beschloss Brödl, dass das Musical beworben werden muss, obwohl es noch nicht fertig war. Er bat seinen Musicbox-Kollegen Alfred Hütter, ein Interview mit Ostbahn-Kurti zu machen. Brödls Idee war, dass sich die Band nach einem Konzert zusammengesetzt hätte und der Student Mario Adretti (Mario Bottazzi) verwickelt den Ostbahn-Kurti in ein Gespräch über Blues.
Fiktives Konzert
Kurtologen-Box
Beide Nummern von Götzinger: „Ollas wos i brauch“, „Wos haßt do Sperrstund“ sind 1999 auf dem Album 50 verschenkte Jahre erschienen. Als Neuaufnahmen sozusagen, weil eigentlich stammten sie ja von der ersten (vergriffenen, fiktiven) LP Antifrost Boogie 1976.
Alfred Hütter versuchte tatsächlich das fiktive Interview zu führen, doch die Protagonisten spielten ihre Rollen als Rock 'n' Roller so überzeugend, dass sie aus dem Lokal geworfen wurden. Trotzdem sendete Hütter einige Tage nach der Premiere in der Musikbox ein Feature über Ostbahn-Kurti.
Hütter berichtete vom fiktiven Konzert in der Diskothek Albatros inklusive Applaus und einer schlechten Kritik für die Brezl-Brothers: „Um 10 Uhr Abends war es wieder einmal so weit, die berüchtigte Simmeringer Blues und Rockband Ostbahn-Kurti und die Chefpartie, deren legendär Konzerte jedesmal mit einem Krawall enden, hatte wieder einmal ein Lokal gefunden, die Diskothek Albratos. Viele Pfiffe erntete das Vorprogramm, die Discoband Brezl-Buben. Das Konzert wurde so wie man es erwarten durfte. Der 25-jährige stämmige Ostbahn-Kurti, das Mikrophon in der einen Hand, das Bier in der anderen, würdigte das Publikum keines Blickes. Nicht einmal ignorieren war seine Devise. Das Resultat war raue Stimmung und dauernde Kurti-Rufe.“
Günter Brödl hatte sich für seine Kunstfigur schon Teile der Biographie ausgedacht.
Hütter berichtete in der Radiosendung weiter, dass Ostbahn-Kurti und die Chefpartie nur deshalb so selten auftreten würden, weil es bereits diverse Auftrittsverbote gäbe und die Band nur auftrete, wenn sie eine neue Nummer hätte. Dies sei es der 11. Auftritt der Band gewesen. Zuerst habe es die alten bizarren Blueshits zu hören gegeben, dann die neue Nummer 'Oide mit'n Blues und das Bier'. Ostbahn-Kurti habe bewiesen, dass er den Blues gelernt hat. Mehrere Jahre soll er mit den Landstreichern, die die Dächer der Ostbahn-Züge bevölkern, unterwegs gewesen sein.
Wos haßt do Sperrstund?
Auch der erwähnte reale Rausschmiss wurde in Hütters Feature verwendet.
Götzinger erinnert sich an den Lokalverweis: „Der Wirt kam, groß wie ein Henker und sagte 'So, meine Herren, jetzt is Sperrstund'. 'Wos haßt do Sperrstund?' fragte ich. Mario Bottazzi versuchte zu intervenieren, 'das ist ein Interview'. Darauf antwortete ich 'hearst feu mi net au mit dem Interview'. Das war dem Wirt zu viel und er warf uns hinaus. So entstand die Nummer 'Wos haßt do Sperrstund?'.“
Zum Schluss der Sendung spielte Hütter die erste Bootleg-Aufnahme des Ostbahn-Kurti. Gleichzeitig gab er zu, dass alles nur gestellt war, als Werbung für das Musical „Wem gehört der Rock 'n' Roll?“
Das Publikum reagierte verstört auf den Ostbahn-Kurti. „Die Figur des Ostbahn-Kurti war viel rauer als später mit Willi Resetarits. Er war wirklich anders, er war nicht kommerziell angelegt. Er sollte die Antithese zur Kommerzialität sein, der es ablehnte sich korrumpieren zu lassen. Das hat sich im Laufe der Zeit verändert,“ sagt Götzinger.
Die Leute kamen um den Wahnsinn zu sehen
Die Band „Metzlutzkas Erben“ spielte im Musical die Brezl-Brothers, die sich der Kommerzialisierung verweigert.
1974 gründeten Leo Koller und Helfried Axmann die Band „Metzlutzkas Erben“. Zuerst probten sie ohne Instrumente jeden Samstag am Küchentisch. Dann zogen sie in einen Probenkeller in Ottakring um. Ab dann spielten sie mit richtigen Instrumenten.
Leo Koller versuchte den Bandnamen patentieren zu lassen, aber der Staat lehnte dies ab. Das war nicht das einzige Unglück der Band. „Den Namen der Band konnte niemand aussprechen. Es war der unglücklichste Bandnamen der Welt, niemand konnte sich den Namen merken. Sonst wären wir sicher berühmter. Auch heute noch, wenn man sagt, Metzlutzkas Erben, muss ich immer dazusagen, wir waren die, die so gut waren wie die Dradiwaberl. Dann erinnern sich die Leute“ erzählt Leo Koller.
Blut und Fischgedärme
Der Manager der Band, Günter Peiritsch, kannte Brödl und brachte ihn in den Ottakringer Proberaum. „Er stand vollkommen unscheinbar in der Ecke, hat mitgewippt und nichts gesagt. Er hatte imaginäre riesengroße Ohrwascheln“, erzählt das Bandmitglied Michael Tersch.
Damals waren Metzlutzkas Erben bekannt für ihre Bühnenshows. „Wir hatten einen Bandbus voller Requisiten wie Blut und Fischgedärmen. Uns ist immer etwas eingefallen, das die Leute absolut schockte. Die Leute kamen um den Wahnsinn zu sehen“, sagt Bandgründer Leo Koller. „Wir waren also absolut prädestiniert in Wahnsinn spielen, so haben sie uns genommen“, sagt er.
Der erste Schlagzeuger von Ostbahn-Kurti und die Klomuschel
Kurtologen-Box
Zur Entstehungsgeschichte des Musicals „Wem gehört der Rock 'n' Roll“ gibt es außer Götzingers Version noch eine weitere:
Franz Deckenbach, der Betreiber der Fan-Seite www.espressorosi.at hat vor kurzem das Programmheft des Musicals erstanden. Daraus ist zu entnehmen, dass Brödl den Auftrag zu einem Stück erhalten hat, sich hinsetzte und drauf los geschrieben hat. “Im Winter '77 konnte ich meinen Auftraggeber mit einem Viereinhalb-Stunden-Opus überraschen,” wird Brödl zitiert. Dann hat er mit dem Regisseur Peter Gruber das Stück auf eine Zwei-Stunden-Fassung reduziert. Durch diverse Umbesetzungen bei Metzlutzkas Erben fielen aber einige fix eingeplante Charaktere weg.
Vielleicht kann ja jemand aus dem Kurtiversum Klarheit schaffen. Mails bitte an: redaktion@diezeitschrift.at
Leo Koller schrieb Teile der Musik und spielte in der Band. „Jeden Tag ist das Stück gelaufen und mit ist das schon fad geworden“, erzählt er, „so spielten wir jeden Tag das Musical ein bisschen anders. Nach Umbauarbeiten im Theater fand ich eine Klomuschel. Ich nahm sie mit auf die Bühne. Am nächsten Tag saß der Regisseur Peter Gruber im Publikum und erkannte sein Stück nicht mehr. Auch die Direktion regte sich auf: 'Die machen was sie wollen. Nur nicht das was im Skript steht.' Ich wurde zum Direktor zitiert und zusammengeschissen. Man drohte mir mit Rausschmiss, falls ich nochmals improvisieren sollte“, erzählt Koller.
Michael Tersch spielte den Sänger der Brezl-Brothers und - mit einer Maske – zugleich den ersten Ostbahn-Kurti.-Schlagzeuger Theo Taktlos.